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Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück:

Omega Centauri NGC 5139, Kugelsternhaufen oder Zwerggalaxie?

Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Dezember 2023

 

Auf einer Astrofarm wie der Rooisand Desert Ranch in Namibia sind nicht nur die Nächte attraktiv [1]. Auch am Tage lassen sich astronomische Beobachtungen durchführen. Dazu gehört in jedem Falle die visuelle Untersuchung der Sonnenoberfläche. Schnell ist ein Teleskop mit Sonnenfilter zwischen Palmen und neben dem Pool aufgebaut.

Unsere Sonne ist ein einzelner Stern. Noch interessanter wird es aber, wenn sich sehr viele Sterne auf einem Haufen befinden. Hierzu warten wir wieder auf die Nacht und gehen auf die Suche nach einem Kugelsternhaufen, aber nicht irgendeinem, sondern nach dem größten von der Erde aus sichtbaren.

Abbildung 1: Sonnenbeobachtung auf der Rooisand Desert Ranch (Panorama)

 

In der zweiten Hälfte einer namibischen Herbstnacht schiebt die Milchstraße ihr südliches Ende bereits wieder Richtung Horizont hinunter. Das folgende Weitwinkelfoto (24 mm Brennweite an EOS 6D) zeigt, wie der sonst auffällig helle Bereich des Sternbildes Carina hinter dem Baum verschwunden ist und nur noch Centaurus mit dem eingebetteten Kreuz des Südens (Crux) sichtbar bleibt (Rahmenbereich), vergleiche „Eta-Carinae-Nebel NGC 3372“ [2].

Abbildung 2: Untergehendes südliches Milchstraßenende mit Mondschein im Westen

Der Aufnahmezeitpunkt (1:51 Uhr am 9.06.2022) liegt etwa 15 Minuten vor Untergang des Mondes, welcher noch den westlichen Himmel deutlich erhellt. Der weiße Rahmen markiert den Himmelsausschnitt der folgenden Abbildung.


Abbildung 3: Südliche Milchstraße mit Omega Centauri (NGC 5139)

Die deutlich höhere Auflösung dieses Darstellungsbereiches resultiert aus vier zu einem Mosaik zusammengesetzten Teilbildern, welche jeweils aus Aufsummierung von etwa 110 einminütigen Belichtungen entstanden sind. Die Fotos stammen von einer EOS 7D mit Zeiss-Objektiv Makro-Planar T* 2/50mm ZE auf der Reisemontierung Polarie.

Die Mosaikerstellung erfolgt in PixInsight nach der Mercator-Projektion mit dem Ursprung in 12h49m und -62°36‘, etwa im Kohlensack. Hier erreicht die Milchstraße im äquatorialen Koordinatensystem ihren südlichsten Punkt, sodass die Milchstraße genau horizontal ausgerichtet erscheint.

Abbildung 3 ist als Gesamtbild astrometrisch vermessen. Der Himmelsbereich umfasst im Wesentlichen die Sternbilder Centaurus (Zentaur) und Crux (Kreuz des Südens). Im oberen Bildbereich fällt ein besonders helles Objekt auf, zumal es bereits deutlich nördlich abseits der Milchstraßenebene liegt, wo die allgemeine Sternendichte stark abgenommen hat. Der umgebende weiße Rechteckrahmen ist in folgender Abbildung im äquatorialen System herausgestellt.


Abbildung 4: Der Kugelsternhaufen NGC 5139

Es handelt sich um den Kugelsternhaufen NGC 5139, der am Südhimmel mit bloßem Auge problemlos auszumachen ist. Der westliche und nördliche Stern des südlichen Kreuzes bieten zum Auffinden in der Verlängerung ihrer Verbindungslinie eine einfache Orientierungshilfe. Der visuelle Anblick durch ein Teleskop ist atemberaubend.

Abbildung 4 besitzt einen Beobachtungsausschnitt von 2,6°×2,1°. Die theoretische Pixelauflösung von etwa 2,1“ wird mit der CCD-Kamera Moravian G3-16200 an dem Refraktor APM/LZOS 115 mit Riccardi-Reducer 0,75x bei 598mm Brennweite erreicht. Die optische Ausrüstung lässt sich auf einer Skywatcher EQ-8 Montierung ohne Autoguiding nachführen.

Montierung und Teleskop sind von DeepSkySafaris gemietet [3]. Die folgende Abbildung zeigt das Equipment vor einer Windschutzwand, das während der drei Wochen Farmaufenthalt von meinem Vereinskollegen Werner und mir verwendet wird.


Abbildung 5: Teleskopausrüstung auf der Rooisand Desert Ranch

Die Belichtungszeiten für Sterne und Sternhaufen dürfen kürzer als für Emissionsnebel ausfallen, da sie erheblich heller sind. Der Kompromiss zwischen zu dunklen Nebelflächendetails und überbelichteten Sternzentren entfällt bei diesem Motiv. Statt der sonst üblichen 180s Belichtungszeit werden nur 120s pro Luminanz-, Rot-, Grün- und Blau-Subframe der LRGB-Filter der Astrodon Gen 2 E-Series in Anspruch genommen. Auf diese Weise erhalten wir eine Gesamtbelichtungszeit von genau 2 Stunden.

Die Windverhältnisse waren am 5.06.2022 und 6.06.2022 teilweise etwas ungünstig, sodass durch moderates Seeing Sternvergrößerungen auftraten. Geringe Wolkenschlieren ließen insbesondere im Blaukanal leichte Höfe um die hellen Sterne erscheinen.

Die Sensortemperatur lag bei ‑20°C.

Entdeckungsgeschichte von Omega Centauri

Um 150 n. Chr. verfasste der griechisch-römische Gelehrte Claudius Ptolemäus seine Abhandlung namens "Almagest" zur Mathematik und Astronomie. Sie blieb mit ihrem geozentrischen Weltbild bis zum Ende des Mittelalters das Standardwerk der Astronomie und enthielt einen ausführlichen Sternenkatalog. Hier beschrieb er NGC 5139 als Stern auf dem Rücken des Zentauren ("Quae est in principio scapulae"), vergleiche Abbildung 2. Deshalb bezeichnete 1603 auch der deutsche Kartograf Johann Bayer dieses Objekt in der für uns heute geläufigen Sternennomenklatur als "Omega Centauri".

Erst der englische Astronom Edmond Halley listete es 1677 nach Beobachtungen von der südatlantischen Insel St. Helena aus als nicht-stellares Objekt auf und gilt deshalb vielfach als Entdecker des Kugelsternhaufens. 1716 veröffentlichte ihn Halley in seiner Liste "luminous spots or patches". Der Schweizer Astronom Jean-Philippe de Cheseaux nahm Omega Centauri 1746 wie der französische Astronom Nicolas-Louis de Lacaille 1755 als Nebel auf.

Schließlich wurde erstmals 1826 vom schottischen Astronomen James Dunlop erkannt, dass es sich um eine Sternenkugel handelt und in den 1830er Jahren von John Herschel seine wahre Struktur als Kugelsternhaufen entdeckt. [4]

Ausdehnung von NGC 5139

Die Entfernung zu Omega Centauri wird je nach Quelle von etwas weniger bis etwas mehr als 17.000 Lichtjahre angegeben [5][4]. Die Literaturwerte zum Durchmesser des Kugelsternhaufens differieren dagegen erheblich mehr. So ergeben sich aus in der englischen Wikipedia aufgeführten 150 Lichtjahren ein Winkeldurchmesser von etwa 0,5° [4]. In der folgenden Abbildung ist dieser eingezeichnet.


Abbildung 6: Größe von NGC 5139 im Vergleich zum Erdmond

Je nach Teleskop scheint der Durchmesser von 0,5°, also etwa der scheinbare Monddurchmesser, dem visuellen Eindruck zu entsprechen. Damit ist er der hellste Kugelsternhaufen des Himmels [4]. In der Astrofotografie ist aber deutlich erkennbar, dass die Randzonen von NGC 5139 darüber hinausreichen. Ich würde hier einen Winkeldurchmesser von 0,9° veranschlagen, was einem physikalischen Durchmesser von fast 270 Lichtjahren entspräche, siehe auch [6].

Größter Kugelsternhaufen in der Milchstraße

Omega Centauri ist der größte bekannte Kugelsternhaufen von mehr als 200 in unserer Galaxie [7]. Er enthält schätzungsweise etwa 10 Millionen Sterne und eine Gesamtmasse von 4 bis 10 Millionen Sonnenmassen. Das macht ihn zum massereichsten und auch absolut hellsten bekannten Kugelsternhaufen in der Milchstraße.


Abbildung 7: Omega Centauri, glitzernd im Licht von Millionen von Sternen

Innerhalb der Lokalen Gruppe ist nur Mayall II noch heller und massereicher. Dieser auch G1 genannte Kugelsternhaufen ist mit 130.000 Lichtjahren weit vom Zentrum der Andromeda-Galaxie entfernt und besitzt etwa die doppelte Masse von Omega Centauri [8]. [7][6]

Was sind Kugelsternhaufen?

Kugelsternhaufen gehören zu den schönsten Objekten, die wir an unserem Himmel durchs Fernrohr beobachten können. Mit etwa 20 bis 50 Lichtjahren weisen sie ähnliche Ausdehnungen auf wie Offene Sternhaufen, unterscheiden sich aber durch ihre sehr ausgeprägte Kugelform.

Der größte Unterschied offenbart sich in der Anzahl der gravitativ gebundenen Sterne, aus welchen sie bestehen. Sie geht in die Hunderttausende, manchmal sogar in die Millionen wie bei Omega Centauri. Hier ist auch die Ausdehnung außergewöhnlich groß. Zum Zentrum des Haufens verdichten sich die Sterne so extrem, dass sie schätzungsweise im Durchschnitt nur 0,1 Lichtjahre voneinander entfernt sind.

Kugelsternhaufen kommen vor allem im galaktischen Halo vor, der unsere Galaxie mit über 150.000 Lichtjahren Durchmesser umhüllt. Zwar kreisen auch sie um das Zentrum der Milchstraße, doch so eigenwillig, dass sie nicht mit der übrigen Galaxie rotieren. Omega Centauri befindet sich zurzeit zwischen dem Sagittarius-Carina-Arm und dem Scutum-Crux- oder Centaurus-Arm, liegt allerdings deutlich oberhalb der galaktischen Ebene.


Abbildung 8: Lage von Omega Centauri im galaktischen System

Kugelsternhaufen zählen zu den ältesten Objekten im Weltall. Vermutlich entstanden sie in den ursprünglichen Gasnebeln, aus welchen sich die Milchstraße formte. Omega Centauri ist etwa 12, manch anderer 13 Milliarden Jahre alt, also kaum jünger als der Urknall.

Kugelsternhaufen sind ausgesprochen stabile Systeme, in deren Zentren nur hin und wieder mal einzelne Sterne durch extreme Gravitationskräfte aus dem Haufen gekickt werden. Allerdings haben nicht alle Kugelsternhaufen überlebt, es dürften einst über tausend in der Milchstraße gewesen sein. [9]

Mehrere Sternpopulationen in NGC 5139

In der Regel sind alle Sterne innerhalb eines Kugelsternhaufens gleich alt, müssen also gleichzeitig entstanden sein. Anders als in Offenen Sternhaufen ist hier keinerlei Gas mehr vorhanden, aus dem sich noch neuere Sterne hätten bilden können. [9]

In Omega Centauri lassen sich jedoch neben den alten Roten Riesen, die in Abbildung 7 gelblich leuchten, ebenso blaue Sterne entdecken. Die folgende Abbildung zeigt hierzu einen kleinen zentralen Ausschnitt.


Abbildung 9: Rote Riesen und blaue Sterne im Zentrum von Omega Centauri

Spektroskopische Untersuchungen haben ergeben, dass die blauen Sterne so viel Helium enthalten, dass sie nicht zu der ursprünglichen Sterngeneration im Haufen, sondern zu einer späteren gehören müssen. Dies ist für Kugelsternhaufen ungewöhnlich. Vielleicht entstanden sie aus den Nebeln von vergangenen Supernovae. NGC 5139 enthält mehrere Millionen Sterne dieser Population II (leichte Metallizität). [4]

Enthält Omega Centauri ein schwarzes Loch?

In den bereits etwas älteren Untersuchungen von Merrit et. al. von 1997 wurde die interne Dynamik anhand von Messungen der Radialgeschwindigkeiten von 469 Sternen analysiert. Die Mitglieder dieses Clusters weisen im Zentrum eine Geschwindigkeitsdispersion von 17 bis 22 km/s auf. Je nach Aufbau des Systems (z.B. Offene Sternhaufen, Kugelsternhaufen, Spiral-Galaxien, Elliptische Galaxien usw.) beobachtet man mehr oder weniger typische Dispersionswerte. Die aus der hier vorliegenden Kinematik abgeleitete Massenverteilung ist demnach etwas ausgedehnter als die Leuchtkraftverteilung, widerspricht ihr aber nicht stark. Insofern wurde angenommen, dass NGC 5139 als weitgehend isotroper abgeplatteter Rotator betrachtet werden kann, den wir von der Kantenseite sehen. [10]

In der folgenden Abbildung habe ich den Helligkeitsverlauf durch das Haufenzentrum dargestellt.


Abbildung 10: Lichtverteilung im Querschnitt durch NGC 5139

Während das Bild mit der Schnittlinie ein Ausschnitt aus der Abbildung 4 ist, stammen die Werte der Intensitätskurve aus dem linearen Bildverarbeitungsbereich. Innerhalb des eingezeichneten Kreises würde ich die Helligkeit als weitgehend konstant ansehen. Hier erfolgt die Rotation laut Merrit et. al. annähernd festkörperförmig.

Eine spätere Studie von Eva Noyola et. al. aus dem Jahr 2008 basiert auf Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskops und des Gemini-Observatoriums in Chile. Sie zeigt ebenfalls die Bündelung der Sterne in der Nähe des Zentrums von Omega Centauri. Allerdings bewegen sich näher am Kern befindliche Sterne schneller als weiter entfernte. Die Geschwindigkeitsdispersion wurde mit 18,6 bis 23 km/s ebenfalls etwas höher bestimmt und nimmt mit Entfernung vom Kern deutlich zu. Für Sternhaufen sind diese Geschwindigkeitsstreuungen einer der größten Werte in unserer Milchstraße. [11]

Noyola diskutiert drei Erklärungsmöglichkeiten:

1. In Zentrumsnähe befindet sich ein Sternenstau ausgebrannter Sterne wie Weiße Zwerge oder Neutronensterne. Allerdings wäre dieser Zustand nur temporär denkbar, weil diese Sterne schnell aus dem Zentrum heraustreiben würden.

2. Sterne mit verlängerten Umlaufbahnen (gestreckte Ellipsen), die im Bereich des Zentrums schneller sind, vermitteln scheinbar höhere Geschwindigkeiten. Die normale Entwicklung eines Sternhaufens spricht aber dagegen. Außerdem würden die Umlaufbahnen sehr schnell kreisförmig werden.

3. Unsichtbare Materie wechselwirkt im Kern gravitativ mit nahen Sternen und beschleunigt sie.

Die dritte Möglichkeit sei die wahrscheinlichste Ursache. Die Anziehungskraft eines dichten, massiven Objekts wie eines Schwarzen Lochs würde die beobachtete Kinematik erklären. Noyola et. al. berechneten die Masse des Objekts auf 40.000 Sonnenmassen. [7]

Neuere Arbeiten von Anderson und van der Marel haben 2010 auf der Basis von fotometrischen Daten des Hubble-Weltraumteleskops die Schlussfolgerungen von Noyola et. al. in Frage gestellt. So wird der vorgeschlagene Standort des Schwarzen Lochs bestritten. An der überarbeiteten Position des Zentrums ergibt sich keine mit der Entfernung variierende Geschwindigkeit von Kernsternen mehr. Dies wäre bei Anwesenheit eines Schwarzen Lochs mittlerer Masse aber zu erwarten. Ferner nimmt die Leuchtstärke zum Zentrum des Kernbereichs nicht weiter zu, sondern bleibt relativ konstant und besitzt auch keinen zentralen kleinen Peak, der für ein Schwarzes Loch typisch wäre. [12]

Letztlich kann die Existenz eines Schwarzen Lochs nicht ausgeschlossen, aber auch nicht bestätigt werden. Seine maximale Masse wird von Anderson aber auf 12.000 Sonnenmassen begrenzt.

Ist NGC 5139 eine Zwerggalaxie?

Omega Centauri ist aufgrund seiner enormen Größe und Masse ein ungewöhnlicher Kugelsternhaufen. Viele Astronomen halten ihn für eine Zwerggalaxie, die vor langer Zeit die meisten ihrer Sterne an die Milchstraße verloren hat, sodass nur der Kern übrigblieb.

Zwerggalaxien sind zwischen den kleineren Kugelsternhaufen und den größeren „normalen“ Galaxien einzuordnen.

Eine frühere Hubble-Durchmusterung von supermassereichen Schwarzen Löchern und ihren Wirtsgalaxien zeigte eine Korrelation zwischen der Masse eines Schwarzen Lochs und der seines Wirts. Wenn die Masse der vermuteten Zwerggalaxie Omega Centauri auf ungefähr 10 Millionen Sonnenmassen geschätzt wird und Galaxien mit geringerer Masse der gleichen Regel gehorchen, dann passt die Masse von Omega Centauri mit der ihres Schwarzen Lochs nach Noyola et. al. zusammen. [11][4][5]

Da die Massenangaben aber oben durch neuere Untersuchungen bereits angezweifelt wurden, bleibt diese Begründung für mich fraglich.

Es wurde aber bereits angesprochen, dass NGC 5139 auch viele junge Sterne enthält, was für Kugelsternhaufen ungewöhnlich ist. Sternenpopulationen mit unterschiedlichen Altersklassen und Metallizitäten unterstützen die Hypothese einer ihrer Außenbereiche beraubten Zwerggalaxie. Auch die Bewegung von Omega Centauri innerhalb der Milchstraße stimmt mit diesem Bild überein. Für Kugelsternhaufen wird dagegen angenommen, dass alle Sterne auf einmal entstanden sind. [7][4]

Wo ist der Gezeitenschrott von Omega Centauri?

Was ist mit den ursprünglichen Sternen der Zwerggalaxie passiert, welche sich unsere Milchstraße vor Milliarden von Jahren einverleibt haben soll?

Laut Messungen von Elizabeth Wylie-de Boer und Kollegen sollen sie zu einer lang gestreckten Spur von Sternen mit ähnlicher Bewegung in der Milchstraße geführt haben. Einige von ihnen befinden sich offenbar in unserer kosmischen Nachbarschaft: Die so genannte Kapteyn-Gruppe. Diese Sterne zeichnen sich alle durch eine ungewöhnliche Eigenbewegung aus, die gegen die übliche Rotationsbewegung der Milchstraße gerichtet ist. Der bekannteste Vertreter hiervon ist „Kapteyns Stern“, ein roter Unterzwerg in knapp 4 Lichtjahren Entfernung. 14 der 16 untersuchten Sterne besitzen in den Außenschichten die gleiche chemische Zusammensetzung wie die in Omega Centauri. Daher sei es wahrscheinlich, dass es sich um Überreste der Zwerggalaxie handelt. [13]

Dieses spektakuläre Ergebnis, Sterne aus einem heute 17.000 Lichtjahre entfernten Objekt praktisch in der Nachbarschaft zu wissen, wird seit 2009 sehr oft zitiert [14], aber stimmt es?

2015 veröffentlichten Camila Navarrete et. al. hochaufgelöste optische und nahinfrarote spektroskopische Untersuchungen mit hohem Signal-Rausch-Verhältnis zu den Sternen der Kapteyn-Gruppe und weiteren angeblich mit Omega Centauri dynamisch assoziierten Sternen. Hiernach ähneln sich die Vergleichsobjekte nicht in Bezug auf Na-O- und Mg-Al-Muster. Dies gilt auch für die Heliumhäufigkeit. Vielmehr unterscheiden sich die Werte nicht von gewöhnlichen Feldsternen des galaktischen Halos. Ebenso fehlt der einzigartige Bariumüberschuss am metallreichen Ende, wie er für Omega Centauri typisch ist.

Eine gewisse Ähnlichkeit wäre nur dann vorhanden, wenn die Sterne der Kapteyn-Gruppe ausschließlich aus der ersten Generation des Sternhaufens stammte. Kinematische Analysen schließen laut Navarrete et. al. ebenfalls einen Zusammenhang aus. [15]

Weitere Deep-Sky-Objekte

Nur am Rande möchte ich erwähnen, dass sich in Abbildung 4 neben Omega Centauri noch eine Vielzahl weiterer Objekte finden lassen. Es handelt sich überwiegend um Galaxien verschiedener Typen. Auch Dunkelwolken lassen sich im unteren rechten Bereich ausmachen. Die auffälligsten Galaxien sind in der nachfolgenden Abbildung zusammengestellt.


Abbildung 11: Galaxien im scheinbaren Umfeld von Omega Centauri

Der angegebene Maßstab von einer Bogenminute gilt für alle sechs Teilbilder.

Am Beispiel von Omega Centauri zeigt sich wieder einmal, dass der astronomisch interessierte Leser mit den Ergebnissen aus der astronomischen Wissenschaft sehr kritisch umgehen muss. Aber egal: Ob NGC 5139 nun ein schwarzes Loch enthält, eine Zwerggalaxie war, eine bewegte Geschichte hinter sich hat oder nicht, für mich ist es ein wunderschöner Kugelsternhaufen, durch welchen wir zum Abschluss des Berichtes hindurchfliegen werden.


Abbildung 12: Diagonaler Streifenausschnitt aus Gesamtbild



[1] https://rooisand.com/: Rooisand Desert Ranch

[2] https://www.astro-os.de/418-0-Im-Reich-der-Superlativen-Eta-Carinae-Nebel-NGC-3372-Dezember-2022-Burkhard-Luehrmann.html: Im Reich der Superlativen: Eta-Carinae-Nebel NGC 3372

[3] https://www.deepskysafaris.com/de: DeepSkySafaris

[4] Wikipedia: NGC 5139, Omega Centauri

[5] SIMBAD Astronomical Database – CDS (Strasbourg)

[6] https://www.spektrum.de/alias/wunder-des-weltalls/ngc5139-omega-centauri/1642974: NGC5139 - Omega Centauri

[7] https://www.nasa.gov/mission_pages/hubble/science/hst_img_20080402.html#:~:text=Astronomers%20have%20found%20evidence%20for,the%20mass%20of%20the%20Sun: Astronomers Find Suspected Medium-Size Black Hole in Omega Centauri

[8] Wikipedia: Mayall II

[9] https://www.ardalpha.de/wissen/weltall/astronomie/sterngucker/kugelsternhaufen-alte-sterne-galaxien-omega-centauri-100.html: Kugelsternhaufen, Uralte Sternsysteme aus Tausenden von Sternen

[10] D. Merritt, G. Meylan, M. Mayor: The stellar dynamics of omega centauri, AJ 114, 1074 (1997)

[11] Eva Noyola, Karl Gebhardt, Marcel Bergmann: Gemini and Hubble Space Telescope Evidence for an Intermediate-Mass Black Hole in Omega Centauri, ApJ, 676, 1008 (2008)

[12] Jay Anderson, Roeland P. van der Marel: New Limits on an Intermediate-Mass Black Hole in Omega Centauri. I. Hubble Space Telescope Photometry and Proper Motions, ApJ, 710, 1032 (2010)

[13] Elizabeth Wylie-de Boer, Kenneth Freeman, Mary Williams: Evidence of Omega Cen tidal debris in the Kapteyn moving group, AJ, 139, 636 (2010)

[14] Wikipedia: Kapteyns Stern

[15] Camila Navarrete et. al.: The Kapteyn moving group is not tidal debris from Omega Centauri, ApJ, 808, 103 (2015)

 

 

 

 




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