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34. Internationales Teleskoptreffen (ITT) auf der Emberger Alm
(mit Aufnahmen von IC 1318, NGC 7380, LDN 1200)
Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Oktober 2018
Im Laufe der letzten drei Jahre hatte ich im Internet und in der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft des NVO (Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück) immer wieder mal von dem legendären Internationalen Teleskoptreffen (ITT) in Österreich gehört. Im Jahr 1984 waren eine Gruppe Kärntner Hobbyastronomen auf den Gedanken gekommen, ein Treffen mit praktischer Astronomie im Mittelpunkt zu veranstalten. In Europa hatte es damals noch keine vergleichbare Veranstaltung gegeben. Damit war die Idee zu einem Teleskoptreffen geboren [Wolfi Ransburg].
Aufgrund der großen Entfernung und den auf Almhöhe fürs Zelten kühlen Temperaturen hatte ich aber über einen Besuch nicht weiter nachgedacht. Da kam Martin auf die Idee, mit einem gemieteten Wohnmobil für eine Woche am diesjährigen 34. ITT teilzunehmen. Schnell waren Carsten und ich bereit, ihn zu begleiten.
Am Montagnachmittag des 1.10.2018 holt Martin das Wohnmobil (Carado A461) vom Verleiher ab und belädt es zuhause. Anschließend fährt er zu Carsten, um auch ihn inklusive Gepäck aufzunehmen. Mit den astronomischen Ausrüstungen ist das Gefährt schnell voll. Die Rockerbox des 12 Zoll-Dobsons muss schon auf den Fahrradträger geschnallt werden. Aber wo soll meine Ausrüstung hin? Nun, ich habe ohnehin vor, mit einem separaten Pkw zu fahren, um vor Ort unabhängiger agieren zu können. Das Wohnmobil ist ohne weitere Umbauten nicht geeignet, umfangreiche astronomische Geräte zu befördern. Soviel weiß ich jetzt.
Abends breche ich mit 40 Minuten Abstand auch gen Süden auf. Mittels Mobilfunk und Freisprecheinrichtung bleiben wir in Verbindung. Nach einem gemeinsamen Abendessen hinter Fulda erreichen wir unser Nachtquartier Geiselwind. Die an diesem berühmten Truckstop in den Morgenstunden einsetzende Geräuschkulisse stört mich kaum, da ich auf den harten Sitzkissen des umgebauten, aber viel zu kurzen Sitzbereiches ohnehin kein Auge zu kriege. Martin und Carsten sind in ihrem mit Matratzen ausgestatteten Hochbett und Alkoven dagegen gut ausgeruht.
Nach einem üppigen Frühstück in „Tonis Restaurant“ geht es an diesem Dienstag mit einem Zwischenstopp bei Teleskop-Service in Parsdorf nachmittags über die Grenze nach Österreich. Vom Drautal aus ist unser Ziel, der Sattleggers Alpenhof, bereits auszumachen.
Im Tal liegt der Ort Greifenburg. Durch ein 300mm Teleobjektiv sieht der Bereich der Emberger Alm so aus:
Die serpentinenreiche Auffahrt von Greifenburg zur Emberger Alm dauert fast eine halbe Stunde. Die niedrig stehende Abendsonne macht die Sicht in den Kurven nicht einfacher. Gegen 18:00 Uhr erreiche ich schließlich die Alm und versuche, mich zu orientieren. Diverse Feldwege lassen sich in der hügeligen Landschaft in ihrem weiteren Verlauf nicht einsehen. Übernächtigt steige ich aus und merke sofort beim Gehen, dass die Luft in 1800m Höhe spürbar dünner ist. Im Sattleggers Alpenhof erkundige ich mich und erfahre, dass man einfach auf die Wiese fahren könne und gut ist. Spezielle Platzregeln gibt es nicht.
Da kommen auch Martin und Carsten herein, das Wohnmobil hat es also auch geschafft. Ich fahre vor, um schon einen geeigneten Aufstellungsort zu finden und warte. Und warte… Wo bleiben die nur? Ein kurzer Anruf klärt auf: Sie haben sich auf der Alm verfahren und befinden sich auf dem Nachbarhof Fichtenheim. Die letzten 800 Meter Fahrstrecke entpuppen sich als die kompliziertesten der ganzen Reise!
Wir suchen uns einen Standplatz kurz vor der höchsten Kuppe der Wiese. Das Wohnmobil wird horizontal ausgerichtet und die unmittelbare Umgebung im Zwielicht von organischen Tretminen befreit. Erst jetzt wird mir die großartige Aussicht in Richtung Süden bewusst.
In der letzten Nacht hat es etwas geschneit, sodass die Gebirgsspitzen der Kofelgruppe wie mit Puderzucker bestreut erscheinen. Im schönen Sonnenuntergang werden der Dobson und diverse Fotostative aufgebaut. Was aber noch wichtiger ist: Martin räumt die Garage auf, sodass auch das untere Bett im Wohnmobil nutzbar wird. Auch wenn der Himmel mit einigen Auflockerungen bedeckt bleibt, ist die Nacht für mich gerettet.
Der Mittwochmorgen begrüßt uns mit sonnigem Wetter. Heute ist der offizielle Beginn des 34. ITT, das bereits zum 23. Mal auf der Emberger Alm stattfindet.
Es sind erst etwa 6 andere Wagen auf der Wiese. Das Frühstück (Buffet) nehmen wir im Sattleggers Alpenhof ein. Die Gehzeit dorthin von etwa 5 Minuten müssen wir übrigens für jeden Wasch- oder Toilettengang und zum Wasserholen einkalkulieren. Ferner steht eine Duschmöglichkeit oder auch Sauna im Alpenhof gegen geringes Entgelt zur Verfügung.
Vormittags ist Entspannung angesagt.
Für den restlichen Tag steht der Sport im Vordergrund, zumindest für die Anderen. Carsten bricht, mit einem Stativbein als Wanderstock ausgerüstet, zu einer Bergwanderung auf. Gleitschirmsegler bevölkern die Luft.
Er ist etwa viereinhalb Stunden unterwegs und besteigt den Naßfeldriegel (2236m) …
… und Hohe Grände (2330m). Die Ausblicke sind atemberaubend.
Gegen 16:30 Uhr marschiert eine Kärntner Gymnasialklasse, welche für die nächsten Tage in der Dünhofenhütte Quartier bezogen hat, mit Astroausrüstung zu uns auf die Wiesenkuppe herauf. Jetzt kommt Leben in die Bude.
Die Täler beginnen, sich mit Dunst zu füllen.
Am linken Rand ist der Weißensee erkennbar.
Inzwischen sind einige Besucher mehr auf die Wiese gekommen. Die wundervolle Abendstimmung setzt ein.
Was für die astronomischen Beobachtungen nicht so gut ist, sorgt für einen prachtvollen Sonnenuntergang.
Die Nacht bleibt vielfach bewölkt und ist leider nur für visuelle Beobachtungen geeignet.
Der Donnerstag wird wunderschön mit blauem Himmel. Wie jeden Tag komme ich auf dem Weg zum Frühstück an der Strohscheinhütte und anderen Häuschen vorbei, die an Almgäste vermietet werden.
Oberhalb des Sattleggers Alpenhof ist die Dünhofenhütte gelegen.
Vor dem Hintereingang des Alpenhofs befindet sich eine Wasserstelle, die jederzeit für den eigenen Trinkwasserbedarf nutzbar ist. In der Bildmitte ist auf der Hügelkuppe unser Wohnmobil zu sehen.
Hier ein Blick mit dem Teleobjektiv:
Auf der Vorderseite des Sattleggers Alpenhof haben viele Hotelgäste ihre Teleskope am Parkplatzrand aufgebaut.
Unterhalb des Alpenhofs verläuft der Weg zum Almgasthof Fichtenheim.
Dies ist die dritte größere Unterkunft für Gäste der Emberger Alm.
Auch hier können astronomische Aufbauten in unmittelbarer Nähe zum Haus aufgebaut bleiben.
Ein steiler Pfad führt von hier aus direkt wieder zurück zu unserem Wohnmobilstandort.
In der Mittagssonne machen wir es uns wieder gemütlich.
Da für die kommende Nacht gute Wetterprognosen bestehen, baue ich mithilfe von Carsten meine astronomische Fotoausrüstung auf.
Die drei Rechner und die Montierung laufen. Wir ziehen uns ins Wohnmobil zurück und essen zu Abend. Plötzlich klopft es an der Tür. Ich schaue raus und bemerke, dass es bereits stockdunkel geworden ist. Der Remote-Rechner steht noch auf voller Bildschirmhelligkeit und strahlt unabgedeckt auf die Wiese. Da kommen natürlich Beschwerden. Sorry!
In gefrierhaustauglicher Kleidung werden unter klarem Himmel Fokussierung im V-Curve-Verfahren und Alignment mit Platesolving durchgeführt. Die Einnordung erfolgt nur grob über den justierten Leuchtpunktsucher. Für 1000mm Brennweite reicht das aus. Das anvisierte Objekt ist IC 1318, der Schmetterlingsnebel im Sternbild Schwan. Doch was ist das? Auf den ersten LRGB-Bildern der CCD-Kamera muss ich feststellen, dass die Sterne einen deutlichen Halo besitzen. Ist die Luft tatsächlich so feucht?
Verunsichert gehe ich zu unseren Nachbarn die Wiese hinab, die ebenfalls astrofotografisch aktiv sind. Sie können die schlechte Transparenz aber nicht bestätigen. Es muss also irgendwo ein Beschlag auf einer optischen Komponente sein. Die Taukappe ist beheizt. Da fällt mir ein, dass ich vergessen habe, die Frontscheibenheizung der CCD-Kamera einzuschalten. Ein halbe Stunde später sind die Aufnahmen klar. Geschafft!
Aufnahmedaten: GM2000QCI, TOA-130/1000mm mit FL-67, G3-16200 (-30°C), Astrodon-Filter 50mm, L 20x180s, R, G, B je 9x180s (141min gesamt), Bias, Darks und Flats, PixInsight.
Der helle Stern am rechten Rand ist Sadr (Gamma Cygni), der Zentralstern des Schwans. Mit 2,2mag gehört er zu den 100 hellsten Sternen am Nachthimmel und stellt somit in einem Deepsky-Foto eine Herausforderung dar. Das kleine Rechteck in der folgenden Abbildung stellt etwa den obigen Bildausschnitt dar.
Aufnahmedaten: Polarie, EOS 7D, Zeiss Makro-Planar T* 2/50mm ZE. 94x1min Belichtung bei F/2.8, ISO-400, PixInsight.
Die Schmetterlingsnebelbereiche IC 1318B (südlich) und IC 1318C (nördlich) werden von der 20 Lichtjahre breiten Dunkelwolke LDN 889 getrennt. Zahlreiche weitere kleinere Dunkelwolken können in diesem Emissionsnebel und H-II-Gebiet beobachtet werden. Der Nebel befindet sich zirka 4.900 Lichtjahre von der Erde entfernt, während Sadr mit 1.800 Lichtjahren deutlich davor liegt [Star Formation in the Heart of the Swan. NASA].
Der folgende Ausschnitt von IC 1318B ist pixel-to-pixel skaliert und mit PixInsight astrometrisch vermessen. Die kleinsten Sterne besitzen hier etwa einen Durchmesser von zwei Bogensekunden.
Der auffällig orange Stern (RW Cygni, HIP 101023) ist ein roter Überriese mit veränderlicher Helligkeit. Platziert in unserem Sonnensystem würde er sich über die Umlaufbahn des Mars hinaus in den Asteroidengürtel erstrecken [E. Josselin & B. Plez. 2007. Atmospheric dynamics and the mass loss process in red supergiant stars. Astronomy and Astrophysics.].
Ab 1:30 Uhr trübt der Himmel ein, sodass ich bis 3:00 Uhr noch Flats aufnehmen kann.
Am Freitagmorgen sind die Täler bei sonnigem Wetter mit Wolken gefüllt. Sie quellen gerade so über unsere Wiesenkuppe.
Schon wenig später ziehen sie sich zurück. Ein wunderbarer Anblick!
Am Vormittag stellt mir Nachbar Volker den Lokalmatador Detlef vor, der seit vielen Jahren auf der Emberger Alm eine stationäre Sternwarte mit verschiebbarem Satteldach besitzt.
Höchst interessiert lasse ich mir von ihm seine Ausstattung zeigen. Die Ergebnisse sind sehr beeindruckend. U.a. beobachtet er seit 10 Jahren den Krebsnebel (M1) und seine Entwicklung. In einem Vortrag stellt er nachmittags imponierende Zeitraffer-Animationen und Extrapolationen in die Vergangenheit und Zukunft vor, die mit selbst entwickelten Algorithmen erstellt wurden.
Der Tag bleibt wunderschön…
…und die Prognosen für die kommende Nacht sind vielversprechend, sodass ich alles für die Astrofotografie vorbereite.
Die letzten Schleierwolken sorgen noch einmal für einen fotogenen Sonnenuntergang.
Der Himmel ist klar und ich nehme NGC 7380, den Zauberernebel im Sternbild Kepheus aufs Korn.
Aufnahmedaten: GM2000QCI, TOA-130/1000mm mit FL-67, G3-16200 (-30°C), Astrodon-Filter 50mm, L 14x240s, R, G, B je 7x240s (140min gesamt), Bias, Darks und Flats, PixInsight.
Die folgende Abbildung enthält im unteren linken Bereich den obigen Bildausschnitt als Rechteck.
Aufnahmedaten: Polarie, EOS 7D, Zeiss Makro-Planar T* 2/50mm ZE. 100x1min Belichtung bei F/2.8, ISO-400, PixInsight.
Ich wähle das Hochformat, weil sich nördlich des Zauberernebels der interessante Dunkelnebel LDN 1200 befindet. Er ist besonders auffällig, weil dieser Bereich sehr sternenreich ist.
NGC 7380 ist ein junger offener Sternhaufen, der etwa 7.200 Lichtjahre entfernt liegt und im Emissionsnebel eingebettet liegt [Wikipedia].
Im folgenden pixel-to-pixel-Ausschnitt kann man mit etwas Fantasie den Zauberer entdecken.
Eine mögliche Interpretation wäre diese:
Vermutlich wird der Nebel nur einige Millionen Jahre bestehen.
Ab Mitternacht wird der Himmel leider bewölkt, sodass einige andere geplante Projekte mit Martin nicht mehr möglich sind.
Der Samstagmorgen zeigt sich von seiner wolkigen Seite. Auch die Wettervorhersagen für die nächste Nacht und den Sonntag sind schlecht, sodass bei fast allen Teilnehmern der Entschluss gefasst wird, bereits heute aufzubrechen. Nach einem ausgedehnten Frühstück sind wir bis zum frühen Nachmittag mit Abbau und Packen beschäftigt.
Um 14:00 Uhr beginnt auf dem Sattleggers Alpenhof eine Tombola. Jeder Teilnehmer hat eine Losnummer erhalten und besitzt die Chance, nun etwas zu gewinnen. Während wir zu Mittag essen, lauschen alle gespannt auf die Gewinnergebnisse.
Da beiße ich gerade herzhaft in ein Wiener Schnitzel und höre meine Losnummer. Ich habe eine Kappe mit integriertem Rotlicht gewonnen. Na also. ITT gut, alles gut!
Das Internationale Teleskoptreffen ist aufgrund der reizvollen Lage, der überdurchschnittlich guten Beobachtungsbedingungen, aber auch wegen der etwas aufwändigeren Anfahrt aus Norddeutschland sicher etwas ganz Besonderes.
An dieser Stelle sei den Organisatoren herzlich gedankt und in besonderem Maße meinen Reisegefährten Martin und Carsten, auf deren Hilfe und Humor immer Verlass war.