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Proxima Centauri V645 und das Alpha-Centauri-System
Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Februar 2025
In Namibia sind die Wege weit, aber die Sterne zum Greifen nah. Während ich im dortigen Herbst 2022 auf der Rooisand Desert Ranch [1] verweilte, dachte ich so nebenbei: Fast jeder Besucher dieser Astrofarm nimmt ein farbiges Deep-Sky-Objekt nach dem anderen aufs Korn, ob nun visuell oder fotografisch. Aber was ist eigentlich mit dem uns am nächsten gelegenen Stern Proxima Centauri los? Bereits Jahrzehnte zuvor, als ich mit Astronomie noch nichts zu tun hatte, hörte ich seinen Namen im Fernsehen öfter als irgendeinen anderen sonst. Viele Mythen ranken sich um ihn. Kann ihn ein Mensch jemals erreichen? Gibt es dort Leben? Meine vorrangige Frage aber war: Kann ich Proxima mit Amateur-Mitteln überhaupt sehen und unter der Vielzahl von Sternen der Milchstraße identifizieren?
Abbildung 1: Weite Wege in Namibia, aber den Sternen so nah
Im Kreis der Amateur-Astronomen und Foren wird in der Tat wenig bis gar nicht über Proxima Centauri gesprochen und bei Nachfragen mit den Achseln gezuckt. Das liegt unter anderem auch daran, dass sich dieser Stern nicht von Europa, sondern nur von Positionen südlich des 27. Breitengrades Nord aus beobachten lässt. Aber wenn man sich gerade in Namibia befindet, könnte man doch einen Blick riskieren. Im folgenden Weitwinkelfoto (24 mm Brennweite an EOS 6D) sind im Bereich der untergehenden Milchstraße noch die Sternbilder Centaurus und das Kreuz des Südens (Crux) erkennbar, vergleiche „Omega Centauri NGC 5139“ [2].
Abbildung 2: Untergehende Milchstraße mit Mondschein im Westen
Der Vorderfuß des Zentauren (im Rahmenbereich) wird durch den hellen Stern Alpha Centauri gebildet. Der Mond befindet sich zum Aufnahmezeitpunkt (1:51 Uhr am 9.06.2022) noch etwa 15 Minuten vor seinem Untergang, sodass der westliche Himmel deutlich erhellt ist. Der weiße Rahmen markiert den Himmelsausschnitt der folgenden Abbildung.
Abbildung 3: Südliche Milchstraße mit Alpha Centauri
Dieser Darstellungsbereich besitzt eine deutlich höhere Auflösung und setzt sich als Mosaik aus fünf Teilbildern zusammen, welche jeweils aus Aufsummierung von etwa 110 einminütigen Belichtungen entstanden sind. Die Fotos stammen von einer EOS 7D mit Zeiss-Objektiv Makro-Planar T* 2/50mm ZE auf der Reisemontierung Polarie. Abbildung 3 ist als Gesamtbild astrometrisch vermessen und umfasst die Sternbilder Centaurus (Zentaur), Circinus (Zirkel) und Crux (Kreuz des Südens). Neben dem besonders auffälligen Kugelsternhaufen Omega Centauri oberhalb des Rückens des Zentauren (oben rechts) erstrahlt auch der Stern Alpha Centauri sehr hell. Er liegt in dem weißen Rechteckrahmen, welcher den geplanten Beobachtungsausschnitt darstellt. Er ist in der nächsten Abbildung im äquatorialen System herausgestellt.
Abbildung 4: Das Alpha-Centauri-System im Gesamtbild (LRGB)
Als dritthellster Stern am Nachthimmel dominiert Alpha Centauri dieses Bild. Der Ausschnitt ist so gewählt, dass die von mir zuvor recherchierte Position von Proxima Centauri im unteren rechten Bereich liegen muss. Damit wären beide Sterne im Gesamtbild symmetrisch erfasst. Der Refraktor APM/LZOS 115 mit Riccardi-Reducer 0,75x und die angeschlossene CCD-Kamera Moravian G3-16200, die mit einer Sensortemperatur von ‑20°C betrieben wird, verarbeiten das sehr helle Sternlicht ausgesprochen gutmütig. Die Leuchtintensität fällt sehr gleichmäßig vom Sternzentrum aus ab, ohne nennenswerte Artefakte wie Spikes, Farbringe, Farbflächen oder sonstige Beugungserscheinungen zu erzeugen. Abbildung 4 besitzt einen Beobachtungsausschnitt von 2,1°×2,6°. Die Brennweite von 598mm führt damit zu einer theoretischen Pixelauflösung von etwa 2,1“. Die ohne Auto-Guiding betriebene Montierung Skywatcher EQ-8 und das Teleskop sind von DeepSkySafaris gemietet [3]. Die folgende Abbildung zeigt die während der drei Wochen Farmaufenthalt verwendete Aufnahmeeinheit.
Abbildung 5: Teleskopausrüstung auf der Rooisand Desert Ranch
Um die zahlreichen Sterne in ihren Zentren nicht zu überbelichten, werden pro Luminanz-, Rot-, Grün- und Blau-Subframe der LRGB-Filter der Astrodon Gen 2 E-Series nur 120s Belichtungszeit in Anspruch genommen. Da ich außer jeder Menge Sterne keine besonderen Deep-Sky-Objekte erwarte, möchte ich unter dem wertvollen namibischen Nachthimmel nicht zu viel Zeit auf Kosten anderer Motive investieren und gebe mich mit einer Gesamtbelichtungszeit von 1 Stunde und 20 Minuten zufrieden. Für einen detailreichen Emissionsnebel wäre dies sicher zu kurz bemessen.
Große Enttäuschung
Nachdem ich einige Wochen wieder aus Namibia zurückgekehrt war, wurde meine Neugier auf Proxima Centauri so groß, dass ich die Rohdateien schon einmal genauer voruntersuchte. Wie gewohnt konsultierte ich die astronomische Datenbank SIMBAD [4], um die Position im Kontext der umgebenden Sterne zu ermitteln. Schnell war die Position im Rohbild gefunden. Im Unterschied zum 2MASS-Bild, das in SIMBAD untergelegt ist und Proxima Centauri sehr eindrucksvoll zeigt, konnte ich dort in den eigenen Aufnahmen nicht die geringste Spur erkennen. Da 2MASS (Two Micron All Sky Survey [5]) die Durchmusterung im nahen Infrarotbereich darstellt und Proxima Centauri als Roter Zwerg sein Strahlungsmaximum bei einer Wellenlänge von 1,2µm im Infraroten besitzt, fürchtete ich, dass dieser Stern für meine Luminanz- und Rotfilter zu dunkel war. So stellte ich die weitere Bearbeitung dieser Bilddaten sehr enttäuscht zurück und wandte mich den anderen schönen und interessanten Deep-Sky-Objekten aus Namibia zu.
Auf der Suche nach Proxima Centauri
Erst eineinhalb Jahre später nehme ich die Weiterbearbeitung der Rohbilder wieder auf und hoffe, dass sich durch die Aufintegration der 80 Minuten Gesamtbelichtungszeit doch noch irgendein Rest sichtbaren Lichts von Proxima entdecken lässt. Das Ergebnis ist das Gesamtbild in Abbildung 4. Hieraus zeigt die nächste Abbildung einen sehr stark vergrößerten Ausschnitt aus dem rechten unteren Bildteil.
Abbildung 6: Position von Proxima Centauri laut SIMBAD
Da bei der Integration die Drizzle-Technik angewendet wird, erhalte ich bei dem eingezeichneten Maßstab noch eine Pixel-to-pixel-Darstellung. Die Markierungslinien in der Bildmitte zeigen die Position von Proxima Centauri laut SIMBAD an. Die schwache graue Erhellung liegt etwas daneben. Es ist absolut nichts erkennbar. Der Rote Zwerg bleibt unsichtbar.
Einige Tage später lese ich durch Zufall, dass Proxima mit seiner scheinbaren Helligkeit von 11 mag nur mit einem Teleskop ab etwa 8cm Objektivdurchmesser zu sehen ist [6]. Also dann müsste seine Beobachtung doch fotografisch bei einer Öffnung von 115mm überhaupt kein Problem sein! Da stimmt doch etwas mit der Positionsangabe in der SIMBAD-Datenbank nicht! In diesem Moment wird mir schlagartig klar, dass ich die Eigenbewegung eines so nahen Sterns stark unterschätzt habe. Ich finde eine schematische Darstellung, welcher ich entnehmen kann, dass sich die scheinbare Position in den letzten Jahrzehnten in nordwestwestlicher Richtung verlagert hat. Der dort zu findende rote Stern inmitten einer kleinen Anhäufung dunklerer Sterne war mir bereits zuvor aufgefallen.
Abbildung 7: Proxima Centauri‘s Bewegung in den letzten 28 Jahren
Proxima Centauri ist gefunden! Neben der Position zu meinem Beobachtungszeitpunkt am 7.06.2022 sind die Stellen eingezeichnet, an welchen Proxima auf den Bildern des DSS und des 2MASS zu sehen ist. Beide lassen sich in SIMBAD wahlweise einblenden. Während der Digitized Sky Survey (DSS) 1994 und in einer höheren Auflösung 1996 veröffentlicht wurde [7], sind die Detektor-Aufnahmen des Two Micron All Sky Survey (2MASS) von 1997 bis 2001 entstanden.
Entdeckung von Proxima Centauri
Neben meiner persönlichen Entdeckungsgeschichte gibt es auch eine historische. 1915 fand Robert Innes, der damalige Direktor des Republic Observatory in Johannesburg, in einem Fotoplattenvergleich heraus, dass ein winziger Stern die gleiche Eigenbewegung wie der benachbarte Alpha Centauri aufweist. Zwei Jahre später ermittelte der niederländische Astronom J. Voûte im Royal Observatory am Kap der Guten Hoffnung die trigonometrische Parallaxe und stellte fest, dass der schwache Stern etwa ebenso weit entfernt ist, sogar noch etwas näher als Alpha. Innes schlug daraufhin vor, ihn Proxima Centauri zu nennen. Alpha Centauri, der lange Zeit für den nächsten Nachbarstern des Sonnensystems gehalten worden war, hatte damit diesen Rang verloren. [8]
Proxima Centauri
Trotz seiner geringen Entfernung von 4,25 Lichtjahren beträgt die scheinbare Helligkeit von Proxima Centauri nur 11,05 mag. Mit einer Oberflächentemperatur von knapp 3000 K lässt sich der Rote Zwerg als Hauptreihenstern mit der Spektralklasse M5,5Ve einordnen. Sein Durchmesser beträgt etwa 200.000 km, was einem Siebtel des Sonnendurchmessers entspricht. Proximas Masse macht allerdings ungefähr 12 % der Sonnenmasse aus, weil seine durchschnittliche Dichte 40-mal so groß ist. Diese mit abnehmender Masse zunehmende Dichte ist für Hauptreihensterne typisch. Wäre seine Masse aber noch um ein Drittel kleiner gewesen, hätte kein Wasserstoffbrennen mehr stattfinden können. Proxima Centauri hätte damit sein Dasein als Brauner Zwerg fristen müssen. Mit einer absoluten Helligkeit von 15,5 Mag besitzt der Rote Zwerg eine Leuchtkraft von 0,014% der Sonne, im sichtbaren Bereich sogar von nur 0,0056%. Mit 4,85 Milliarden Jahren ist Proxima Centauri im Moment noch sehr jung, weil ihm diese Sparsamkeit noch ein langes Leben von über vier Billionen Jahren schenken wird. [8]
Flare-Stern V645
Harlow Shapley stellte 1951 fest, dass es sich bei Proxima Centauri um einen Flare-Stern handelt. In 8% der früheren fotografischen Beobachtungen zeigte sich, dass die Helligkeit des Sterns heller als gewöhnlich war. Damit gehörte er zum aktivsten Flare-Stern, der bis dahin entdeckt worden war. Diese eruptiv veränderliche Sterneigenschaft brachte Proxima auch die Bezeichnung V645 (V für Veränderlicher) ein. Aufgrund der geringen Masse geschieht der Wärmetransport in Flare- oder Flackersternen durch Konvektion und weniger durch Strahlung. Durch diese Bewegung von Plasma werden Magnetfelder erzeugt und nach außen transportiert, deren magnetische Energie sich an der Oberfläche des Sterns durch eruptive Flares, die bis zwei Millionen Kelvin heiß werden, freisetzt. Die Gesamthelligkeit und auch die Emission von Röntgenstrahlung erhöht sich. Bei Proxima Centauri beträgt der Zyklus etwa 400 Tage. [8]
Proximas Planetensystem
Nachdem seit 1998 innerhalb verschiedener Projekte (u.a. der NASA) nach Exoplaneten um Proxima Centauri gesucht worden war, gelang es schließlich 2016 am La-Silla- und Paranal-Observatorium (VLT) der ESO, mithilfe der Radialgeschwindigkeitsmethode Proxima Centauri b aufzuspüren. Damit ist dieser mit 4,2 Lichtjahren der erdnächste nachgewiesene Exoplanet. Seine Entdeckung ist aber auch deshalb bedeutend, weil er als potentiell bewohnbar gilt.
Neue Messungen von 2020 ergeben eine Masse von 1,17 Erdmassen und eine Umlaufzeit von 11,2 Tagen mit dem Bahnradius von knapp 0,05 astronomischen Einheiten (AE). Proxima Centauri b hat vermutlich eine gebundene Rotation und eine Gleichgewichtstemperatur von ‑39°C, die bei Vorhandensein einer Atmosphäre aber höher ausfallen kann. Damit liegt er nach verschiedenen Simulationen innerhalb der habitablen Zone, in welcher flüssiges Wasser auf der Oberfläche möglich wäre. [8][9]
Abbildung 8: Bahnradien der Exoplaneten um Proxima Centauri im maßstabsrichtigen Vergleich mit Merkur- und Erdumlaufbahn
2019 wurde der Exoplanet Proxima Centauri c entdeckt, welcher seinen Heimatstern mit einer Entfernung von etwa 1,5 AE alle 5,28 Jahre umkreist. Seine Gleichgewichtstemperatur beträgt lediglich -234°C und ist damit nicht bewohnbar. Mit der siebenfachen Masse der Erde handelt es sich um eine Supererde oder einen Mini-Neptun. [8][10]
Schließlich gelang es im Jahre 2020 am Very Large Telescope (VLT), noch eine schwache Signalkomponente zu isolieren, die auf einen dritten Exoplaneten hindeutet. Mit einer Umlaufzeit von 5,1 Tagen, einem Viertel der Erdmasse und einem Bahnradius von 0,029 AE ist Proxima Centauri d der bisher leichteste Exoplanet, welcher mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachgewiesen wurde. [11]
In Abbildung 8 habe ich die Bahnradien der bekannten Exoplaneten um Proxima Centauri maßstabsgerecht eingetragen. Zum Vergleich sind in der unteren Bildhälfte die Umlaufradien von Merkur und Erde um die Sonne verzeichnet. Die relativ geringen Bahnexzentrizitäten und ‑neigungen sind nicht berücksichtigt. Die grünlichen Bereiche deuten die habitablen Zonen in den jeweiligen Sternsystemen an.
Das Alpha-Centauri-System
In Abbildung 9 beträgt der Winkelabstand zwischen Alpha und Proxima Centauri 2,2°. Bei einem Abstand von 4,2 Lichtjahren von unserer Erde entspricht dies scheinbar 0,17 Lichtjahren. Die tatsächliche Entfernung liegt aber bei etwa 0,21 Lichtjahren, da sich Alpha Centauri etwas weiter von uns weg befindet. [8][14]
Trotz dieses gewaltigen Sternenabstands, der immerhin etwa dem 500-fachen Abstand Neptuns zur Sonne entspricht, wurde im Jahre 2016 die Zugehörigkeit von Proxima zu Alpha Centauri geklärt. Die gravitative Bindung führt zu einer Umlaufzeit von etwa 600.000 Jahren auf einer stark exzentrischen Umlaufbahn (e=0,5), die ich gemäß [15] in Abbildung 9 übertragen habe.
Abbildung 9: Scheinbare Umlaufbahn von Proxima Centauri um Alpha Centauri mit zukünftigen Positionen in tausend Jahren
Die Lage von Alpha Centauri hat man sich räumlich weiter hinten vorzustellen, wo auch der entferntere Brennpunkt der Ellipse liegt. Zurzeit befindet sich Proxima Centauri nahe dem entferntesten Punkt von Alpha (Apozentrum) und besitzt eine relativ kleine Bahngeschwindigkeit. In 280.000 Jahren wird sich diese mehr als verdoppeln.
Das Alpha-Centauri-System bewegt sich wiederum auch auf einer unabhängigen galaktischen Bahn, die eine hohe Neigung zur Milchstraßenebene besitzt. Die Radialgeschwindigkeiten in Bezug auf das Sonnensystem von 22 km/s für Alpha und 16 km/s für Proxima führen zu einer Drehung, die Alpha Centauri in etwa 25.000 Jahren näher zu uns bringen wird als Proxima. 3.000 weitere Jahre später wird das System schließlich mit 3 Lichtjahren seine größte Annäherung zum Sonnensystem erreicht haben.
Alpha Centauri als Doppelsternsystem
Da es sich bei Alpha Centauri (auch Rigil Kentaurus genannt) um einen Doppelstern (A und B) handelt, wird Proxima auch als Alpha Centauri C bezeichnet. Der hellere gelbe Stern Alpha Centauri A ist derzeit scheinbar 6 Bogensekunden vom orangefarbenen Alpha Centauri B entfernt und somit in meiner Aufnahme aufgrund der Überbelichtung nicht von ihm getrennt optisch auflösbar, siehe folgende Abbildung.
Abbildung 10: Doppelstern Alpha Centauri A mit B für zwei verschiedene Jahrespositionen
Wenn Alpha Centauri A als Bezugssystem gewählt wird, umrundet der Stern B ihn alle 79,9 Jahre auf einer stark elliptischen Bahn, wobei der physikalische Abstand zwischen 11 und 36 AE liegt. In Abbildung 10 ist nicht nur das Achsenverhältnis und die Skalierung der Ellipse maßstabsrichtig eingetragen, sondern auch die Winkelorientierung mit den zwei Positionen von Alpha Centauri B in den Jahren 2010 und 2020 nach derzeitigem Wissensstand korrekt ausgerichtet (oben ist Norden). Im Schwerpunktsystem bewegt sich natürlich auch Alpha Centauri A um B. [16]
Während es sich bei dem Doppelsternsystem um den dritthellsten Stern am Nachthimmel handelt (‑0,27 mag), schafft es Alpha Centauri A alleine immer noch auf den vierten Rang (‑0,01 mag). Die Spektralklassen lauten G2V und K1V und ähneln damit der Sonne (G2V). Stern A besitzt die 1,1-fache Masse und die 1,52-fache Leuchtkraft der Sonne, für Stern B sind die Faktoren 0,93 bzw. 0,50. Das gemeinsam entstandene Sternenpaar ist etwa 6,5 Milliarden Jahre alt.
Im Jahr 2021 wurde am VLT durch ein neues Verfahren mit einer Variante der direkten Beobachtung für Alpha Centauri A ein Exoplanet-Kandidat vorgestellt, der sich auch in der habitablen Zone befinden würde. Die Bahnstabilitäten von Planeten in binären Systemen ist aber noch immer umstritten. Eine Bestätigung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgt. [8][14]
Weitere Deep-Sky-Objekte
Den Bildausschnitt in Abbildung 4 wählte ich nur aufgrund der Koordinaten von Alpha und Proxima Centauri aus. Da wir uns hier inmitten der südlichen Milchstraße befinden, ist eine sehr hohe Sterndichte zu beobachten. Es sind aber auch noch einige andere interessante Objekte zu entdecken.
Abbildung 11: Hintergrundumgebung vom Alpha-Centauri-System
Binärer Sternhaufen NGC 5617 und Trumpler 22
In meinem Bericht „Die Freiheitsstatue zwischen ihren Sternhaufen“ [17] hatte ich bereits das binäre Sternhaufensystem NGC 3590 und Hogg 12 vorgestellt. Mit einem Abstand von etwa 10 Lichtjahren gelten sie als eines der engsten Haufenpaare. NGC 5617 und Trumpler 22 sind in der folgenden Abbildung deutlich weiter voneinander entfernt.
Abbildung 12: Doppelsternhaufenpaar NGC 5617 und Trumpler 22
NGC 5617 wurde 1826 von James Dunlop entdeckt und enthält 175 wahrscheinliche Mitgliedssterne. Bei einem Abstandswinkel zu Trumpler 22 von 0,5° und einer Entfernung von etwa 6.500 Lichtjahren von der Erde ergibt sich ein Abstand der Haufenzentren von 57 Lichtjahren. Verschiedene Forschungsgruppen ermittelten ein Alter von 70 bis 90 Millionen Jahren. Fotometrische und spektroskopische Analysen legen nahe, dass es sich um ein ursprüngliches Doppelsternhaufenpaar mit nahezu kreisförmiger Umlaufbahn handelt. [18][19]
Offener Sternhaufen Pismis 19
Zwischen den beiden Sternhaufen in Abbildung 12 fällt ein weiterer Offener Haufen auf, der sich durch seine intensive rötliche Färbung und den erheblich dichteren Sternenbestand absetzt: Pismis 19 (Armenische Astronomin Paris Maria Pismis). Dies lässt auf eine erheblich größere Entfernung schließen. Staub in dieser Himmelsregion absorbiert bevorzugt die kürzeren Wellenlängen des Lichts, sodass uns vor allem die roten Anteile erreichen. Die meisten Literaturquellen machen in diesem Zusammenhang Entfernungsangaben um 8.000 Lichtjahre, was aber in die gleiche Entfernungskategorie des vorherigen Binärsystems fallen würde. Der in SIMBAD protokollierte Abstand von 12.800 Lichtjahren erscheint mir daher sinnvoller. [20][4]
Abbildung 13: Offener Sternhaufen Pismis 19
Planetarischer Nebel Hen 2-111
Am westlichen Rande des Lichtglanzes von Alpha Centauri macht sich eine kleine, aber auffällige rot-violette Struktur bemerkbar. Es handelt sich um den planetarischen Nebel Hen 2-111 (Henize-Katalog von Emissionsnebeln) oder auch PN G315.0-00.3.
Abbildung 14: Planetarischer Nebel Hen 2-111
Das Nebelzentrum ist auffallend hell, während sich der äußere Ring in dieser starken Vergrößerung und der kurzen Belichtungszeit nur schwach abzeichnet. Hier ließe sich mit einem H-alpha- bzw. NII-Schmalbandfilter mehr erreichen. Aus einem Öffnungswinkel von 0,19° errechne ich bei einem Abstand von 7.000 Lichtjahren einen Durchmesser von 23 Lichtjahren. Die Distanz ist allerdings, wie für viele planetarische Nebel leider üblich, etwas unsicher. [21][22] Der bipolare Auswurf hat vor etwa 8.000 Jahren in einem engen binären System stattgefunden. Danach kann er durch weitere Schockwellen-Ereignisse Veränderungen unterlegen haben [21].
Emissionsnebel ESO 134-11 (RCW 86) der Supernova 185
Eines der Deep-Sky-Objekte, die nichts mit dem Alpha-Centauri-System zu tun haben, ist mir gleich zu Beginn der Bildbearbeitung aufgefallen: ESO 134-11 oder RCW 86, siehe Abbildung 11. Aufgrund der rötlichen Färbung und kugelförmigen Struktur vermutete ich eine verbliebene unabhängige HII-Region. Dieser Emissionsnebel entpuppte sich dann aber als das Überbleibsel einer historisch sehr interessanten Supernova: SN 185.
Abbildung 15: Supernova 185
In den Astrologischen Annalen des aus dem 5. Jahrhundert stammenden Hou Hanshu (Chronik der chinesischen Geschichte von 25 bis 220 n. Chr.) wird das Erscheinen eines „Gaststerns“ am 7. Dezember 185 beschrieben, der über mehrere Monate in der Nähe von Alpha-Centauri zwischen den Sternbildern Zentaur und Zirkel sichtbar war. Nach vielem historischen Hin und Her gilt dieses Ereignis heute als die älteste dokumentierte Supernova der Geschichte.
Die Supernova 185 (SN 185) erreichte eine geschätzte Helligkeit von -6 bis -8 mag. Der Ende der 1950er Jahre entdeckte Emissionsnebel ESO 134-11 liegt 8200 Lichtjahre entfernt und wird als der Überrest von SN 185 angesehen. Im Jahr 2006 gelang mithilfe des Röntgenteleskops Chandra und des Weltraumobservatoriums XMM-Newton die Bestimmung des Alters auf etwa 1.800 Jahre, was mit der historischen Beschreibung gut übereinstimmt. [23]
Wenn man bedenkt, dass ich den in diesem Bericht betrachteten Beobachtungsausschnitt nur so nebenbei für die Abbildung eines kleinen Sternpunktes von Proxima Centauri geplant hatte, wurde ich doch sehr überrascht durch die vielfältigen Erlebnisse während der Recherche. Was wird die astronomische Wissenschaft hier in Zukunft wohl noch für Überraschungen liefern?
Jedenfalls lohnt sich jetzt noch ein Flug durch das mythische hierarchische Dreifachsternsystem.
Abbildung 16: Streifenausschnitt aus Gesamtbild
[2] Omega Centauri NGC 5139, Kugelsternhaufen oder Zwerggalaxie?
[3] DeepSkySafaris
[4] SIMBAD Astronomical Database – CDS (Strasbourg)
[5] Wikipedia: Two Micron All Sky Survey
[6] http://www.andromedagalaxie.de/alphacentauri/html/proxima.htm
[7] Wikipedia: Digitized Sky Survey
[8] Wikipedia: Proxima Centauri
[9] Wikipedia: Proxima Centauri b
[10] Wikipedia: Proxima Centauri c
[11] Wikipedia: Proxima Centauri d
[12] Proxima Centauri and its planet compared to the Solar System (ESO)
[13] Wikipedia: Habitable Zone
[14] Wikipedia: Alpha Centauri
[15] Umlaufbahn von Proxima Centauri nach 100 Jahren bestimmt (ESO)
[16] en.wikipedia.org: Alpha Centauri
[17] Die Freiheitsstatue zwischen ihren Sternhaufen
[18] Wikipedia: NGC 5617
[19] G. M. De Silva et. al.: Binary open clusters in the Milky Way: photometric and spectroscopic analysis of NGC 5617 and Trumpler 22, MNRAS, 453, 106 (2015)
[20] In the Glare of Alpha Centauri (APOD NASA)
[21] M. A. Dopita et.al.: IFU spectroscopy of southern PN VI: The extraordinary chemo-dynamics of Hen 2-111, MNRAS, 475, 424 (2017)
[23] Wikipedia: Supernova 185