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------------ Astronomie in Zeiten des Coronavirus ------------

Markarjansche Kette

(Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Juni 2020)

Im Bericht Eulennebel (M97) und M108 wurde von mir bereits erwähnt, dass sich Ende März 2020 westlich von Osnabrück eine ganze Woche sternenklarer Nächte ergab. Dieses astronomische Glück nennen wir Amateur-Astronomen auch „Astrokatastrophe“. Schließlich bedeutet es, fast eine Woche lang keinen oder kaum Schlaf zu finden. Es stand also genügend Aufnahmezeit für weitere Deep-Sky-Objekte zur Verfügung. Meine Wahl fiel auf die Markarjansche Kette.



Obige Abbildung zeigt den Himmelsbereich zwischen den Sternbildern Jungfrau (Virgo) und Haar der Berenike (Coma Berenices). Dieser Teil des Nordhimmels ist für das zahlreiche Vorhandensein von Galaxien bekannt. Viele Astronomen freuen sich immer wieder auf das Frühjahr, wenn sie zu nächtlicher Zeit gleich in ganzen Clustern ins Blickfeld kommen – ich meine die Galaxien.
Das Bild ist unter PixInsight und Photoshop als Mosaikausschnitt aus sechs Bildern entstanden, die jeweils aus etwa 100x1 Minute Belichtungszeit gewonnen wurden. Die verwendete Aufnahmeausrüstung ist eine EOS 7D mit Zeiss-Objektiv Makro-Planar T* 2/50mm ZE auf der Reisemontierung Polarie. Die hier gezeigte starke Verkleinerung ist als Ganzes astrometrisch vermessen und lässt eine starke Vergrößerung zu. Gehen wir einmal auf die Suche, am besten einfach in die Mitte hinein, dort, wo das weiß umrahmte Rechteck den Ausschnitt des nächsten Bildes andeutet:



In dieser pixel-to-pixel Abbildung (Zoom 100%) sind bereits sehr viele Galaxien erkennbar, wenn sie auch von den relativ groß erscheinenden Sternen, was durch die optische Auflösungsgrenze des Objektivs bedingt ist, teilweise schwer unterscheidbar sind. Auffällig ist jedoch eine Aufreihung von Galaxien entlang eines Bogens. Sehen wir uns den gleichen Himmelsausschnitt mit dem 4-linsigen Refraktor Takahashi FSQ-85ED an.



Die 450mm Brennweite wirken auf eine CCD-Kamera Moravian G3-16200 mit LRGB-Filtern der Astrodon Gen 2 E-Series, wobei mit einer 10-Micron Montierung GM 2000 QCI ohne Autoguiding nachgeführt wird. Die Aufnahmen stammen vom 22.03.2020 und besitzen eine Gesamtbelichtungszeit von 3h09min bei einer Sensortemperatur von -30°C.
Die Galaxien treten jetzt auf einer Fotofeldbreite von 3,5° erheblich deutlicher vor den kleineren, also schärfer abgebildeten Sternen hervor.
Die so genannte Markarjansche Kette besteht u.a. aus den zwei Messier-Objekten M84 und M86. In der Umgebung finden sich noch weitere Messier-Objekte, die bezeichnet sind. Dazu gehört die elliptische Riesengalaxie M87:



Sie ist das größte Mitglied des Virgo-Galaxienhaufens und eine sehr aktive Radio- und Röntgenquelle (Virgo A bzw. X-1) mit einem supermassereichen Schwarzen Loch von 6,5 Milliarden Sonnenmassen. M87 ist etwa 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt.
Diese und die nächsten vier Vergrößerungen sind pixel-to-pixel-Abbildungen und besitzen damit den gleichen Maßstab.



Die Spiralgalaxie M88 ist gegen die Sichtachse um 30 Grad geneigt und wirkt dadurch ähnlich schön wie die Andromeda-Galaxie. Sie bewegt sich mit einer relativ großen Geschwindigkeit von etwa 700 km/s vom Virgohaufenzentrum weg.



Die elliptische Galaxie M89 besitzt eine kreisförmige Erscheinung und entfernt sich vom Virgohaufen von uns weg.
Im Gegensatz dazu entfernt sich die ähnlich große Balken-Spiralgalaxie M90 mit ähnlicher Geschwindigkeit vom Haufen weg, aber auf uns zu.



Dies lässt sich mit der Dynamik des sehr massereichen Virgo-Haufens erklären. Die Galaxie scheint sehr alt zu sein und weist keine Sternentstehungsgebiete auf.

Die Balken-Spiralgalaxie M91 besitzt ca. 100 Milliarden Sonnenmassen und ist etwa 20 Millionen Lichtjahre entfernt:



Kommen wir jetzt zurück zur Markarjanschen Kette. Mit der Brennweite 1000mm des Refraktors TOA-130 lässt sich der Bogen der Galaxien gut herausarbeiten. Am 25. und 26.03.2020 wurden drei Stunden Luminanz und drei Stunden mit RGB-Filtern aufgenommen. Es entsteht dieses Bild:



Die Fotofeldbreite liegt bei 1,6°. Die eindrucksvolle Ansammlung von Galaxien im Virgo-Haufen ist nach dem Astrophysiker Benjamin Markarjan benannt, der sie in der 1970er Jahren intensiv beobachtete. Sie folgen einer leicht gekrümmten Kurve. Die Kette beginnt unten mit M84:



Diese und die nächsten fünf Vergrößerungen sind wieder pixel-to-pixel abgebildet. Der Maßstab ist unten rechts eingeblendet.
Messier 84 liegt im Zentrum des Virgo-Haufens und von uns etwa 43 Millionen Lichtjahre entfernt. Die elliptische Galaxie sieht rund aus, ist aber vermutlich von linsenförmiger Gestalt, die uns ihre Front bietet.



M86 ist ebenfalls eine elliptische Galaxie in Linsenform. Sie bewegt sich mit etwa 400km/s auf die Milchstraße zu und besitzt daher eine deutliche Blauverschiebung.

Die folgenden Kettenmitglieder sind nicht im Messier-Katalog enthalten. Insgesamt zählen zur Markarjanschen Kette sieben Galaxien.



Die in Klammern angegebenen Bezeichnungen beziehen sich auf weitere Galaxien, die manchmal noch mit hinzugezählt werden.

Den für mich schönsten Abschnitt der Markarjanschen Kette bilden die Augen: Die „The Eyes“ genannten Galaxien NGC4438 und NGC4435.



Obwohl sie ein optisches Paar aus linsenförmigen Galaxien bilden, sind die wissenschaftlichen Aussagen zur Wechselwirkung widersprüchlich. Einerseits soll die starke Verformung von NGC4438 auf eine enge Begegnung mit M86 vor rund 100 Millionen Jahren zurück zu führen sein. Sie ist heute etwa 33 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt, während NGC4435 näher liegt, sie interagieren also nicht miteinander. Aber andererseits soll die Distanz zwischen beiden Galaxien nur 100.000 Lichtjahre betragen und doch zu gravitativer Wechselwirkung führen. Demnach begegneten sich die Augen vor 100 Millionen Jahren mit einem Abstand von nur 16.000 Lichtjahren. Sehr geheimnisvoll!



NGC4461 liegt rund 50 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, ist linsenförmig und bildet mit NGC4458 ein Paar, das Gezeiteninteraktion erfahren hat.



NGC4473 ist mit fast 100 Millionen Lichtjahren wieder etwas weiter von der Milchstraße entfernt.

NGC4477 schließt die Markarjansche Kette ab und liegt mit schätzungsweise 58 Millionen Lichtjahren wieder näher:



Die kleinere Galaxie NGC4479 befindet sich mit etwa 37 Millionen Lichtjahren noch näher.

Oberhalb von M86 ist die Edge-On-Galaxie NGC4402 zu finden, also genau in der Kantenstellung:



Am linken Bildrand lässt sich die irreguläre Zwerggalaxie IC3355 entdecken. Sie ist rund 5 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt und hat einen Durchmesser von nur etwa 2.000 Lichtjahren. Das Objekt wurde erst am 17.11.1900 von Arnold Schwassmann entdeckt.

Zum Abschluss dieses Berichts wird ein gedrehter Streifenausschnitt aus dem Gesamtbild gezeigt, der alle Galaxien der Markarjanschen Kette enthält. (Die obere linke Ecke ist aufgrund der Freistellung und Drehung undefiniert.)



Ein etwas weiter gefasster Ausschnitt mit dem FSQ-85 ist im Folgenden zu sehen. Im oberen und unteren Bildbereich sind eine Vielzahl weiterer schöner Galaxien erkennbar.




Literatur/Infos:
Wikipedia: Messier 87, 88, 89, 90, 91, 84, 86
Wikipedia: NGC 4438, 4435, 4461, 4458, 4473, 4477, 4479, 4402
Wikipedia: IC 3355




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