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Exkursion der Astro-AG nach Namibia, 22. 5. bis 11. 6. 2022
Im Reich der Superlativen: Eta-Carinae-Nebel NGC 3372
Bericht von Dr. Burkhard Lührmann, Dezember 2022 (-weitere Berichte hier-)
Im Mai und Juni 2022 hatte ich die glückliche Möglichkeit, drei Wochen in Namibia auf der Rooisand Desert Ranch [1] zu verbringen. Die Farm lässt sich von Windhoek aus in südwestlicher Richtung in etwa vier Autofahrtstunden über Sandpisten erreichen. Sie liegt inmitten der Hakosberge, die ideale Bedingungen zur Sternenbeobachtung bieten. Der Gamsberg ist der höchste der Hakosberge. Mit 2.347 Metern Höhe stellt dieser markante Tafelberg eine wunderschöne Hintergrundkulisse für die auf 1.200 Metern liegende Astrofarm dar.
Abbildung 1: Rooisand Desert Ranch mit Gamsberg (Panorama)
In der dreiwöchigen Aufenthaltszeit boten sich meinem Vereinskollegen Werner und mir insgesamt 18 sternenklare Nächte für astronomische Beobachtungen der südlichen Milchstraße. Zu Beginn jeder Nacht steigt sie vertikal in den Himmel auf und dreht sich in der ersten Nachthälfte rechts um den Himmelssüdpol allmählich in die Horizontale. In der folgenden Abbildung habe ich zwei weitwinklige Einzelbilder (24 mm Brennweite) von Werner zusammengesetzt.
Abbildung 2: Über Horizont aufgehendes Milchstraßenzentrum und südlicher Ausläufer
Links über dem Horizont befindet sich das Zentrum der Milchstraße mit der hellen Großen Schützenwolke. Dort schauen wir in unsere Heimatgalaxie hinein. Das nach oben rechts aufsteigende südliche Ende führt uns über die Sternbilder Skorpion, Zentaur und Kreuz des Südens zum Schiffskiel (Carina). Hier wird die Milchstraße im Sagittarius-Arm noch einmal richtig hell.
Weiter südlich (rechts) sehen wir im Sternbild Schiffssegel (Vela) bereits aus unserer Galaxie hinaus und es wird dunkel. D.h. der Bereich um Carina muss in der jeweils ersten Nachthälfte beobachtet werden, während die Deep-Sky-Objekte im Zentrum und nördlichen Ende der Milchstraße in der zweiten Nachthälfte kulminieren und das Sternenband nach rechts in die Vertikale abkippt.
Leider gehen die Kleine und Große Magellansche Wolke abends schon schnell unter und morgens erst spät auf. Am rechten unteren Bildrand ist die Große Magellansche Wolke noch zu erkennen.
Der weiße Rahmen markiert den Himmelsausschnitt der folgenden Abbildung.
Abbildung 3: Südliches Milchstraßenende (Panorama)
Hier werden die Details des südlichen Milchstraßenendes deutlicher. Es handelt sich um ein Mosaik aus sechs Teilbildern, die jeweils aus Aufsummierung von etwa 110 einminütigen Belichtungen entstanden sind. Die Fotos stammen von einer EOS 7D mit Zeiss-Objektiv Makro-Planar T* 2/50mm ZE auf der Reisemontierung Polarie.
Die Mosaikerstellung erfolgt in PixInsight nach der Mercator-Projektion, wobei ich als Ursprung die Werte 12h49m und -62°36' verwende. Hier erreicht die Milchstraße im äquatorialen Koordinatensystem ihren südlichsten Punkt, etwa im Kohlensack. Damit befindet man sich in der horizontalen Ebene des galaktischen Koordinatensystems, sodass die Milchstraße genau horizontal ausgerichtet ist.
Abbildung 3 ist als Gesamtbild astrometrisch vermessen. Der Himmelsbereich umfasst im Wesentlichen die Sternbilder Centaurus (Zentaur), Crux (Kreuz des Südens), Carina (Schiffskiel) und Vela (Schiffssegel). Die auffälligste Region befindet sich im Bereich des weißen Rahmens und ist in folgender Abbildung herausgestellt.
Abbildung 4: NGC 3372 und weitere Umgebung
Es handelt sich um den Eta-Carinae-Nebel NGC 3372, einem der größten diffusen Nebel an unserem Himmel. Er lässt sich leicht mit bloßem Auge ausmachen. Ebenso ist die scheinbare Einbettung zwischen den offenen Sternhaufen NGC 3532 und NGC 3114 deutlich zu erkennen, siehe Abbildung 2. Ein Teilbereich von NGC 3532 war das Motiv für das „first light“ des Hubble-Weltraumteleskops [2]. Die Verbindungslinie vom Carina-Nebel zu den Südlichen Plejaden führt in der Verlängerung zum Himmelssüdpol. Dies gilt auch in etwa für die lange Achse des Südlichen Kreuzes, sodass der Südpol über den gemeinsamen Schnittpunkt zumindest grob sehr leicht bestimmt werden kann, siehe Abbildung 3.
Der weiße Rahmen kennzeichnet den im Folgenden betrachteten Beobachtungsausschnitt von NGC 3372. Die rötlichen Nebelstrukturen sind trotz unmodifizierter Kamera deutlich zu erkennen und erscheinen im Zentrum bläulich weiß. In der nächsten Abbildung ist dieser Bildbereich erheblich vergrößert dargestellt.
Abbildung 5: NGC 3372 und Umgebung im Gesamtbild (LRGB und H-alpha)
Das gesamte Bild besteht aus zwei querformatigen Einzelbildern, die in PixInsight und Photoshop astrometrisch vermessen und zum Mosaik übereinander zusammengesetzt sind. Die resultierende Bildgröße beträgt 2,5°×3,9°. Die Einzelbilder werden mit der CCD-Kamera Moravian G3-16200 an dem Refraktor APM/LZOS 115 mit Riccardi-Reducer 0,75x bei 598mm Brennweite erreicht. Die theoretische Pixelauflösung beträgt etwa 2,1". Die optische Ausrüstung lässt sich auf einer Skywatcher EQ-8 Montierung ohne Autoguiding nachführen.
Montierung und Teleskop sind von DeepSkySafaris gemietet [3]. Die folgende Abbildung zeigt das Equipment, das während der drei Wochen von mir verwendet wird.
Abbildung 6: Teleskopausrüstung auf der Rooisand Desert Ranch
Mithilfe der LRGB-Filter der Astrodon Gen 2 E-Series und dem Astrodon Narrowband H-alpha 3nm werden pro Mosaikbild 32 Luminanz-, 16 Rot-, 16 Grün- und 16 Blau-Subframes mit jeweils 180s Belichtungszeit und 16 H-alpha-Bilder á 450s aufgenommen, sodass sich eine Gesamtbelichtungszeit von 2×6 Stunden ergibt. Die Sensortemperatur beträgt ‑20°C. Die H-alpha-Komponente ist dem Rotkanal beigemischt, wobei die Bearbeitung der Sterne und des Nebelhintergrundes getrennt durchgeführt ist.
Der Carina-Nebel
Der Nebel NGC 3372 wurde 1752 vom französischen Astronom Nicolas Louis de Lacaille auf seiner vierjährigen Reise zum Kap der Guten Hoffnung entdeckt [4]. Er wird als Carina-Nebel oder auch Eta-Carinae-Nebel bezeichnet und umfasst ein großes, komplexes Gebiet aus hellen und dunklen Nebeln im gleichnamigen Sternbild.
Abbildung 7: Ausdehnung des Carina-Nebels
Die in voranstehender Abbildung eingezeichnete große Ellipse beschreibt etwa die Ausdehnung des Emissionsnebels und besitzt Winkelöffnungen von 92' bzw. 147'. Die Entfernung dieser HII-Region wird je nach Literaturquelle zwischen 6.500 und 10.000 Lichtjahren angegeben. Gehen wir von einem häufig zitierten mittleren Wert von 8.500 Lichtjahren aus, ergeben sich Objektdurchmesser von 230 bzw. 360 Lichtjahren. Der Nebel ist damit eine der größten HII-Regionen unserer Galaxie. Eine Superlative! [5][6]
Die Carina OB1-Assoziation
Innerhalb des Carina-Nebels liegt ein Gebiet, das zahlreiche Sterne des nachgewiesenen Spektraltyps O und B sowie mehrere Wolf-Rayet-Sterne enthält. Der bekannteste Vertreter ist das massereiche Eta Carinae-Sternensystem, nach welchem auch eine der Namensvarianten für den Nebel abgeleitet ist. Ebenso wird hier der O2-Überriese HD 93129A und der derzeit in unserer Milchstraße hellste Stern WR 25 beherbergt, siehe Abbildung 7. [5][7]
Diese Carina OB1-Assoziation umfasst den größten Teil der Gesamtmasse des Carina-Nebels [9]. Neben Sagittarius OB5 und Cygnus OB2 ist sie eine der größten bekannten Sternassoziationen. Zusammen mit Carina OB2 (hierzu gehören z.B. auch noch die Sternhaufen NGC 3532 und NGC 3114, siehe Abbildung 4) bilden sie die massereichste Sterngruppierung, die in der Galaxie bekannt ist. Eine Superlative! [5][8]
Carina OB1 besitzt einen Durchmesser von etwa 70 Lichtjahren [8]. Auch weiter entfernte Objekte wie die offenen Sternhaufen Collinder 228, NGC 3293, Bochum 10, Bochum 11 und der Emissionsnebel NGC 3324 gelten als Verwandte dieses riesigen Sternentstehungsgebietes, siehe Abbildung 7.
Sterne im Zentrum des Carina-Nebels
Der spektakulärste Bereich des Carina-Nebels ist im Zentrum zu finden, also in der OB1-Assoziation und näheren Umgebung. Die folgende Abbildung zeigt dieses Gebiet.
Abbildung 8: Sternhaufen und heiße Sterne im Zentrum des Carina-Nebels
Carina OB1 umfasst die Sternhaufen Trumpler 16 und Trumpler 14 (Katalog offener Sternhaufen vom schweizerisch-amerikanischen Astronom Robert Julius Trumpler). Aber auch Trumpler 15 kann nach einigen Quellen dazu gezählt werden [9].
Trumpler 14 gehört mit 300.000 bis 500.000 Jahren zu den jüngsten Sternhaufen der Milchstraße. Er beherbergt etwa 2.000 junge Sterne aller Größenklassen. Auch der Hyperriese HD 93129A, einer der hellsten Sterne unserer Galaxis, befindet sich unter ihnen. Dieses Doppelsystem ist rund 80-mal massereicher als die Sonne und leuchtet zweieinhalb Millionen Mal heller. Die Spektralklassen lauten O2 und O3.5, wobei HD 93129Aa der der Erde nächste O2-Überriese ist. Vermutlich handelt es sich aber um ein Dreifachsystem, wobei HD 93129B als O3.5-Stern ebenfalls dieser heißen Klasse angehört. [10][11]
Der offene Sternhaufen Trumpler 15 ist etwas älter als seine Geschwisterhaufen, enthält aber noch mehrere O-Sterne. Allerdings gehören diese eher den nicht mehr so heißen Unterklassen an, sodass mehr B-Sterne vertreten sind. [7]
Trumpler 16 enthält nicht nur den mit Abstand größten Massenanteil der Carina OB1-Assoziation, sondern auch das prominenteste Mitglied: Eta Carinae. Es existieren hier aber noch drei weitere Sterne der Spektralklasse O3. [12]
In Abbildung 8 habe ich anhand verschiedener Quellen versucht, die meisten O-Sterne in Trumpler 16 zu identifizieren. Da ihre 2MASS-Namensbezeichnungen viel zu lang und nichtssagend wären, sind die sehr viel interessanteren Spektralklassen aufgeführt. Hierbei sind auch einige der energiereichsten B-Sterne mit dabei. [7][13]
Auffällig ist die Häufung im südlich gelegenen Staubband, welches Collinder 228 von Trumpler 16 scheinbar abtrennt. Die Spektraltypen der Sterne weisen aber auf eine einzige Sternentstehungswelle hin, sodass Collinder 228 für einen Ausläufer von Trumpler 16 gehalten werden kann [12]. Allerdings ist die Konzentration der Sternmassen sowohl im Bereich des Staubbandes als auch im Sternhaufen Collinder 228 sehr gering im Vergleich zu der Umgebung von Eta Carinae.
Insgesamt enthält der Carina-Nebel mindestens 75 Sterne der Spektralklasse O, von welchen ich aus diversen Quellen ein gutes Drittel gefunden und in Abbildung 8 identifiziert habe [7][9][13]. Darunter befinden sich auch die ersten entdeckten Sterne des Typs O3, die typischerweise am Ende ihrer primären Lebensdauer als Supernova explodieren.
Eta Carinae
Im Carina-Nebel ist Eta Carinae wohl das ungewöhnlichste stellare Objekt, das aufgrund seiner scheinbaren Helligkeit sofort auffällt. Dieser gigantische Doppelstern bringt mit seinem Primärstern etwa 100 bis 200 und mit seinem Sekundärstern noch einmal 30 bis 80 Sonnenmassen auf die Waage. Glücklicherweise liegt er in einer Entfernung von etwa 7.500 Lichtjahren, sodass seine vier- bis fünfmillionenfache Leuchtkraft der Sonne bei uns nur für schöne physikalische Effekte sorgt. In den 1830er Jahren war dieses energiereiche Gestirn eines der hellsten Objekte am Himmel. Seitdem ist Eta Carinae dramatisch verblasst und erreicht das Ende seines Lebens, bleibt aber eines der massereichsten und hellsten Sternensysteme in der Milchstraße. [14]
Eta Carinae gehört zu den Hyperriesen und den leuchtkräftigen blauen Veränderlichen (LBV - Luminous Blue Variables). Man nimmt an, dass alle Sterne mit einer Anfangsmasse von mehr als etwa 20 Sonnenmassen dieses LBV-Stadium durchlaufen. Für einige zehntausend Jahre verbraucht die Kernfusion wegen des großen Produktes aus Druck und Temperatur enorme Mengen Wasserstoff, wodurch die freigesetzte Strahlung dem Schweredruck entgegenwirken kann. Das hydrostatische Gleichgewicht zwischen dem hohen Strahlungs- und Schweredruck kann in diesem Fusionsratenbereich aber bereits durch geringe Instabilitäten mit starken Helligkeitsveränderungen einhergehen, so auch beim „Großen Ausbruch“ von Eta Carinae um 1843, als er zum zweithellsten Stern am Himmel wurde.
Überdies führt die hohe Fusionsrate dazu, dass der Kernbrennstoff innerhalb weniger Millionen Jahre verbraucht sein wird und diese Sterne in einer Super- oder Hypernova explodieren und höchstwahrscheinlich als Schwarzes Loch enden.
Es wurden erst sechs LBVs in der Milchstraße entdeckt, einige weitere sind in den Nachbargalaxien der lokalen Gruppe bekannt. [15][16]
Abbildung 9: Eta Carina mit maßstabsgerechter Skizzierung des Humunkulus-Nebels
Die beim "Großen Ausbruch" stattfindende bipolare Emission führte zum Humunkulus-Nebel, den ich zur Verdeutlichung der Größenverhältnisse in Abbildung 9 einskizziert habe. Die gegenüberliegenden Sphären besitzen Durchmesser von etwa 7", was knapp 0,3 Lichtjahren entspricht [17]. Die Ausschnittsvergrößerung um Eta Carinae zeigt, dass dieser Nebel nicht mit einer Brennweite von 598mm auflösbar sein kann. Die Sternenfläche selbst ist bereits erheblich größer, eine leichte Elliptizität lässt sich aber erahnen.
Älteres Auswurfmaterial, das im 15. Jahrhundert fortgeschleudert wurde, lässt sich in Aufnahmen des Röntgen-Satelliten Chandra erkennen. Dieser hufeisenförmige Ring (Hufeisen-Nebel) besitzt bereits einen Durchmesser von etwa zwei Lichtjahren.
Wolf-Rayet-Sterne im Carina-Nebel
Außer den Sternen der Spektralklasse O und den heißesten Unterklassen der B-Sterne besitzen für die Entwicklung des Carina-Nebels auch dort vorkommende Wolf-Rayet-Sterne eine große Bedeutung. Da sie erheblich seltener zu finden sind, habe ich den Suchbereich in der Datenbank SIMBAD auch auf die nähere Umgebung des Carina-Nebels ausgedehnt und alle verzeichneten Wolf-Rayet-Sterne in der nachfolgenden Abbildung eingetragen.
Abbildung 10: Wolf-Rayet-Sterne im scheinbaren Umgebungsbereiches des Carina-Nebels
Wolf-Rayet-Sterne (WR-Sterne) sind freigelegte Kerne ehemals massereicher Sterne, die einen starken andauernden Massenverlust mit sehr hohen Sternenwindgeschwindigkeiten aufweisen. Ihr äußerer Wasserstoff ist weitgehend verloren, sodass die Emissionslinien bei den WN-Typen hauptsächlich auf Helium und ionisierten Stickstoff und bei den älteren WC-Typen bereits auf Sauerstoff und ionisierten Kohlenstoff hinweisen. [18]
Die in Abbildung 10 gekennzeichneten Wolf-Rayet-Sterne WR22, WR24 und WR25 liegen in einer Entfernung von etwa 7.000 bis 9.000 Lichtjahren und damit innerhalb des Carina-Nebels und gehören der Kategorie WN an. Nicht nur diese Häufung ist selten, sondern insbesondere die ganz außergewöhnlichen Merkmale von WR25, der zum Sternhaufen Trumpler 16 gehört. Es handelt sich um ein Doppelsternsystem, wobei der heiße Begleiter ein Überriese vom Typ O ist. Die Umlaufzeit beträgt 208 Tage. Genaue aufgetrennte Spezifikationen sind schwierig und haben sich in den letzten Jahren immer wieder geändert. Derzeit wird WR25 mit O2.5lf*/WN6 klassifiziert. Mit einer 6,3-millionenfachen Leuchtkraft der Sonne ist das System jedenfalls der derzeit hellste Stern, der in unserer Milchstraße bekannt ist. Eine Superlative! [19][12]
Auch die Wolf-Rayet-Sterne WR23 und WR27 gehören in das Gebiet des Carina-Nebels, liegen aber außerhalb der OB1-Assoziation. Die von mir ebenfalls noch recherchierten WR-Sterne WR 28, 29 und 30a sind allerdings mit 24.000 bis 27.000 Lichtjahren deutlich weiter entfernt.
Ein tobender Kampf zwischen Sternen und Staub
Die Abbildungen 8 und 10 verdeutlichen, dass der Carina-Nebel eine sich sehr dynamisch entwickelnde Wolke aus dünn verteiltem interstellarem Gas und Staub ist. Die vielen massereichen Sterne der heißesten Spektralklassen und mehrere Wolf-Rayet-Sterne heizen diese kosmische Blase mit hochenergetischer Strahlung ein und regen das umgebende Gas zum Leuchten an. Gewaltige Sternwinde führen zu variierenden Gasdichten, Schockfronten und Dunkelnebeln. In letzteren werden Sterne neu geboren, zunächst noch vom Staub verhüllt. Dann aber verdampfen sie ihre Umgebungen und lösen Nebelbereiche auf. [14]
Schlüsselloch-Nebel
Im Zentrum des Carina-Nebels zeichnet sich ein Staub-Fragment ab, das der Form eines Schlüssellochs ähnelt. Es wurde von John Herschel entdeckt und als „ovale Leere“ bezeichnet, bevor die Astronomieautorin Emma Converse es 1873 „einem Schlüsselloch ähnelnd“ beschrieb [5]. Abbildung 11 zeigt diesen eindrucksvollen Schlüsselloch-Nebel (Keyhole Nebula) mit einer Ausschnittsübersicht des Gesamtbildes.
Abbildung 11: Der Schlüsselloch-Nebel im Zentrum des Carina-Nebels
Mit der bereits oben verwendeten Entfernung von 8.500 Lichtjahren lässt sich ein Durchmesser des Schlüsselloches von 7,8 Lichtjahren und eine Gesamthöhe von 13,8 Lichtjahren errechnen. Es wird angenommen, dass die Keyhole-Formation selbst bis zu drei Millionen Jahre alt sein könnte.
Es handelt sich um eine kleine dunkle Wolke aus kalten Molekülen und Staub innerhalb des Carina-Nebels, wobei mindestens neun getrennte Gasblasen ausgemacht werden können. In jeder von ihnen sind massive Sternformationen verborgen, die an ihrer strukturellen Form arbeiten. Dies geschieht weitgehend unabhängig voneinander. Es zeigen sich aber auch durch Sternwinde angetriebene Wechselwirkungen, die wahrscheinlich von Eta Carinae und den umgebenden Gasen erzeugt werden. Deshalb unterliegt die Form des Schlüsselloch-Nebels einem ständigen Wandel.
Während sich der südliche Bereich gegen den viel helleren Hintergrundnebel dunkel abhebt, zeichnet sich das nördliche Schlüsselloch, das leuchtende Filamente aus heißem fluoreszierendem Gas enthält, heller ab. [20][21]
Dunkelnebel, Staubsäulen und Globulen
Der Carina-Nebel wird von unzähligen Staub- und Dunkelnebeln durchsetzt, was bei einer so großen Sternentstehungsregion nicht weiter verwundert. Die auffälligste Staubformation schlängelt sich V-förmig durch den gesamten Nebelkomplex, siehe Abbildung 10.
Im Jahr 2014 wurden im Paranal-Observatorium mit dem größten Durchmusterungsteleskop der Welt, dem „Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy“ (VISTA), in diesem Staubband fast fünf Millionen einzelne Infrarotquellen lokalisiert. [14]
Die folgende Abbildung zeigt einen winzigen Teilbereich dieser kosmischen Brutstätte.
Abbildung 12: Dunkelnebel und Staubsäulen
In den Randregionen des Staubbandes lassen sich besonders eindrucksvolle dunkle Säulen aus Staub finden, die wiederum neugeborene Sterne verhüllen.
Weitere interessante Details sind hell berandete Globulen in der Nähe des Schlüsselloch-Nebels.
Abbildung 13: Globulen
Die Brennweite von 598mm ist an dieser Stelle wirklich ausgereizt. Im kompletten Bild ließe sich der Abbildungsausschnitt kaum noch erkennen. Insbesondere der durch Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops bekannt gewordene „Defiant Finger“ (unterhalb des Pfeils) kann nur noch schwach ausgemacht werden. Diese Bok Globulen (isolierte kleine Dunkelnebel) werden vermutlich vom Wolf-Rayet-Stern WR25 oder vom hellblauen Überriesen Trumpler 16-244 (O3.5) ionisiert. Dadurch strahlen sie von den Rändern Licht ab. In einigen 100.000 Jahren werden sie leider verdampft sein. [22][5]
Ein ebenso stark vergrößerter und passend gedrehter Bildausschnitt zeigt in der Nähe vom offenen Sternhaufen Trumpler 14 den etwa 3 Lichtjahre hohen „Mystic Mountain“.
Abbildung 14: Mystic Mountain
Hierbei handelt es sich um eine Staub-Gas-Säule, die ebenfalls durch Fotografien vom Hubble-Weltraumteleskop 2010 (20-jähriges Jubiläum) bekannt wurden. In der nochmaligen Vergrößerung ist der nach oben rechts gerichtete schmale Nebelfortsatz zu erkennen. Die im Maßstab angegebenen 50" entsprechen zwei Lichtjahren. Im Inneren der Säule entstehende Sterne feuern Gasstrahlen ab, die als Herbig-Haro-Objekte ausströmen. [22][5]
Die beiden folgenden Abbildungen zeigen den südöstlichen bzw. südwestlichen Teil des Carina-Nebels.
Abbildung 15: Südöstlicher Bereich des Carina-Nebels mit offenem Sternhaufen Bochum 11
Es gibt hier zahlreiche weitere Dunkelwolken und Staubformationen zu entdecken. In der Mitte liegt der offene Sternhaufen Bochum 11. Er besteht aus etwa 24 Mitgliedern und ist nicht älter als vier Millionen Jahre alt [23].
Etwas südwestlich steigt eine auffällige Staubsäule nordwärts auf (Pfeilmarkierung). An ihrer Spitze wurden die Herbig-Haro-Objekte HH 1004 westlich und HH 1005 östlich ausgestoßen. Im Carina-Nebel sind bisher über 20 HH-Jets dokumentiert und viele weitere mögliche Kandidaten festgestellt worden. [24]
Abbildung 16: Südwestlicher Bereich des Carina-Nebels mit Collinder 228
Obwohl beide Abbildungen derselben Bildbearbeitung entstammen, fallen die Nebelfärbungen deutlich unterschiedlich aus. Die Mitglieder des offenen Sternhaufens Collinder 228 hellen die HII-Region wie im Zentrum des Carina-Nebels offenbar zusätzlich auf.
Die hellsten Sterne sind hier der Wolf-Rayet-Stern WR24 und QZ Carinae. Als Mehrfachsystem nimmt QZ Carinae den Spitzenplatz ein. Es besteht aus dem blauen Superriesen A1 (O9.7I), dem blau-weißen Hauptreihenstern A2 (B2V), dem blauen Riesen B1 (O8III) und dem heißen Hauptreihenstern B2 (O9V). Zusammen besitzt das System eine 94-mal so große Masse wie die Sonne. Die Partner A1/A2 und B1/B2 umrunden sich jeweils alle 20,7 bzw. 6 Tage und die beiden Paare in etwa 25 Jahren. [25]
Unten rechts ist in Abbildung 16 der auffällige Dunkelnebel DCld 287.7-01.2 erkennbar, vergleiche mit Abbildung 5.
Randgebiete
Es gibt im Gesamtbild noch weitere Objekte zu entdecken, die nicht mehr direkt zum Carina-Nebel gehören. So habe ich in folgender Abbildung die HII-Region Gum 32 herausgestellt.
Abbildung 17: HII-Region Gum 32
Sie wird durch den Dunkelnebel DCld 287.2+00.1 vom Carina-Nebel getrennt. Der O8D-Stern CPD-57 3781 ionisiert den Ringnebel. Es sollen noch zwei weitere Sterne der B-Klasse zur Anregung beitragen. [26]
In Abbildung 18 ist der äußerste Nordwesten des Gesamtbildes zu sehen. Der Emissionsnebel NGC 3324 enthält einen offenen Sternhaufen, der nur wenig älter als Trumpler 16, 14 und 15 ist. Der Sternhaufen NGC 3293 ist in dieser Reihe mit knapp 10 Millionen Jahren der älteste und am weitesten von Trumpler 14 entfernt, was auf eine sequentielle und fortlaufende Sternentstehung hindeutet [5].
Abbildung 18: Nordwestliche Sternhaufen vom Carina-Nebel
NGC 3324 ist eine Sternentstehungsregion. Einige der heißen, jungen Sterne senden intensive UV-Strahlung aus und bringen die Gaswolke nicht nur zum intensiven Leuchten, sondern schaffen auch einen Hohlraum in der umgebenden Gas- und Staubwolke. Diese Tasche hat einen ermittelten Durchmesser von 35 Lichtjahren. [27][28]
Die nächste Abbildung zeigt eine Vergrößerung von NGC 3324, in welcher die „Cosmic Cliffs“ sichtbar sind.
Abbildung 19: „Cosmic Cliffs“ von NGC 3324
Dieser Bereich wurde als einer von fünf kosmischen Objekten ausgewählt, die vom James-Webb-Weltraumteleskop im Rahmen der Veröffentlichung seiner ersten offiziellen wissenschaftlichen Bilder beobachtet wurden [5][29]. Ich überlasse es nun dem Leser, die Abbildung 19 mit derjenigen aus der Literaturangabe [29] zu vergleichen und die Unterschiede zum Brennweitenverhältnis 598mm bzw. 131400mm in Relation zu setzen.
Am nördlichen Rand der Abbildung 18 liegt der massereiche blau-weiße Stern HD 92383 mit dem Spektraltyp B3V. Offensichtlich ist er gerade noch in der Lage, den ihn umgebenden Nebel vdBH 42a (van den Bergh & Hagen) zum Leuchten anzuregen. [30]
Etwas weiter westlich liegt einer der hellsten Sternhaufen des Südsternhimmels: NGC 3293.
Abbildung 20: Offener Sternhaufen NGC 3293
Er ist mit NGC 3324 assoziiert und enthält rund 50 Sterne, die noch von den Resten des Gas- und Staubnebels umgeben sind. Eine dynamische Massentrennung hat dafür gesorgt, dass die schwersten Sterne im Zentrum liegen. Aufgrund ihres jungen Alters (siehe oben) leuchten sie überwiegend blau und im Ultravioletten. Dem verschwenderischen Stern HD 303076 ist der Wasserstoff bereits weitgehend ausgegangen, sodass er sich bereits zu einem Roten Riesen entwickelt hat. Die übrigen roten Sterne liegen im Vordergrund. [31]
Die HII-Region Gum 30 umgibt den Sternhaufen NGC 3293, siehe auch Abbildung 18. Sie ist Teil einer größeren Molekülwolke im Nordwesten. [32]
Der Carina-Komplex ist wahrlich ein Reich der Superlativen!
Das ist Grund genug, um in ihm nun noch in den zwei folgenden Streifenausschnitten des Gesamtbildes eine Zeit lang zu verweilen…
Abbildung 21: Streifenausschnitt aus Gesamtbild mit erhöhtem Kontrast
Abbildung 22: Streifenausschnitt aus Gesamtbild
[1] https://rooisand.com/: Rooisand Desert Ranch
[2] Wikipedia: NGC 3532
[3] https://www.deepskysafaris.com/de: DeepSkySafaris
[4] Wikipedia: Nicolas-Louis de Lacaille
[5] Wikipedia: Carina-Nebel, Carina Nebula
[6] https://www.spektrum.de/alias/wunder-des-weltalls/eta-carinae-nebel-ein-highlight-des-suedhimmels/1441272: Eta-Carinae-Nebel – Ein Highlight des Südhimmels
[7] SIMBAD Astronomical Database – CDS (Strasbourg)
[8] Wikipedia: Carina OB1, Carina OB2
[9] Beomdu Lim et. al.: A Gaia view of the two OB associations Cygnus OB2 and Carina OB1: The signature of their formation process, MNRAS Vol. 490, 440-454 (2019)
[10] Wikipedia: Trumpler 14
[11] Wikipedia: HD 93129
[12] Wikipedia: Trumpler 16
[13] T. Preibisch et. al.: Detection of new O-type stars in the obscured stellar cluster
Tr 16-SE in the Carina Nebula with KMOS, A&A (2021)
[14] https://www.eso.org/public/germany/news/eso1828/: Sterne und Staub im Wettstreit im Carina-Nebel
[15] Wikipedia: Eta Carinae
[16] https://de.wikibrief.org/wiki/Eta_Carinae: Eta Carinae
[17] https://de.wikibrief.org/wiki/Homunculus_Nebula: Homunculus Nebel
[18] Wikipedia: Wolf-Rayet-Stern
[19] Wikipedia: WR 25
[20] https://esahubble.org/images/opo0006a/: Light and shadow in the Carina Nebula
[21] https://theplanets.org/keyhole-nebula-facts-and-info/: Keyhole Nebula - Facts And Info
[22] https://telescope.live/gallery/eta-carinae-keyhole-nebula-and-carina-nebula: ETA CARINAE, KEYHOLE NEBULA, AND CARINA NEBULA
[23] Ferdinando Patat, Giovanni Carraro: Star clusterings in the Carina complex: UBVRI photometry of Bochum 9, 10 and 11, MNRAS Vol. 325, 1591-1602 (2001)
[24] Nathan Smith et. al.: HST/ACS Hα imaging of the Carina Nebula: Outflow activity traced by irradiated Herbig–Haro Jets, MNRAS Vol. 405, 1153-1186 (2010)
[25] Wikipedia: QZ Carinae
[26] http://galaxymap.org/cat/view/gum/32: Gum 32
[27] https://www.eso.org/public/germany/images/eso1207a/: Die Sternentstehungsregion NGC 3324
[28] https://www.starobserver.org/ap190316/: NGC 3324 in Carina
[29] https://www.nasa.gov/image-feature/goddard/2022/nasa-s-webb-reveals-cosmic-cliffs-glittering-landscape-of-star-birth: NASA’s Webb Reveals Cosmic Cliffs, Glittering Landscape of Star Birth
[30] https://www.astronomie.de/neuigkeiten/12-woche-der-nordwesten-des-eta-carinae-nebels/: Der Nordwesten des Eta-Carinae-Nebels
[31] Wikipedia: NGC 3293
[32] http://galaxymap.org/cat/view/gum/30: Gum 30